Automobilstandort Hessen nicht gefährden – Innovationskraft stärken – Klimaschutz neu denken

OPEL

Am 09. November 2017 hat der französische Automobilhersteller PSA seine Sanierungspläne für OPEL vorgestellt. Ziel der Sanierung ist die drastische Senkung der Produktionskosten. Das soll insbesondere durch den Einsatz von PSA-Technologie für Motoren und Plattformen geschehen.

Der Verkauf von OPEL durch General Motors und der Einstieg von PSA hat wesentlich damit zu tun, dass nach Ansicht der GM-Unternehmensleitung OPEL nach 2020 aufgrund der verschärften EU-Grenzwerte für CO2-Emissionen (95 Gramm je 100 Kilometer) nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Gegenüber der aktuellen Neuwagenflotte müsste OPEL die Emissionen und damit den Durchschnittsverbrauch seiner Fahrzeuge innerhalb weniger Jahre um rund ein
Drittel senken (heute 127 Gramm CO2 je km).

Carlos Tavares, Vorstandsvorsitzender der PSA-Group, hat die Lage von OPEL in Bezug auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für 2020 in einem Interview am 21. Oktober 2017 als „extrem ernst“ und „extrem gefährlich“ bezeichnet. Nur mit Hilfe von PSA-Technologie habe das Unternehmen überhaupt noch die Chance, die EU-Vorgaben zu erreichen.

Für den gesamten Automobilstandort Hessen ist diese Entwicklung sehr bedrohlich. OPEL beschäftigt an seinem Hauptsitz Rüsselsheim rund 15.000 Menschen. In Hessen sind insgesamt 51.000 Menschen bei Unternehmen der Automobilwirtschaft, Herstellern und Zulieferern, tätig. Die hessische Automobilwirtschaft zählt mit über 17 Milliarden Euro Umsatz zu den wichtigsten Branchen überhaupt. Mit jährlichen Investitionen von 1,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung leisten die Unternehmen einen großen Beitrag zur Innovationskraft unserer Wirtschaft.

Neue EU-Grenzwerte 2025/2030

Eine weitere Verschärfung der Lage ist nun durch die am 08. November diesen Jahres, also ein Tag vor Bekanntgabe des OPEL-Sanierungsplanes, verkündeten neuen CO2-Grenzwerte der EU eingetreten. Nach dem Willen der Europäischen Kommission sollen die Grenzwerte für CO2-Emmissionen für Neuwagen ab 2025 um 15 Prozent und ab 2030 um 30 Prozent gegenüber den bereits sehr ambitionierten Grenzwerten für 2020 reduziert werden.

Dabei ist die EU-Kommission mit der Festlegung des Grenzwertes von 95g/100 km für 2020 bereits weit vorgeprescht und übertrifft die in den Vereinigten Staaten (121 g/100 km), China (117 g/100 km) und Japan (105g/100 km) geltenden Vorgaben deutlich.

Im Klartext bedeuten bereits die Grenzwerte ab 2020 eine Herabsetzung des zulässigen durchschnittlichen Verbrauchs der gesamten Fahrzeugflotte auf 3,5 bis 4 Liter je 100 Kilometer.

Da auch das Messverfahren (WLTP statt NEFZ) zur Ermittlung des Verbrauches umgestellt wird und allein durch diesen Effekt mit einem Anstieg des ermittelten Verbrauchs um 25 Prozent zu rechnen ist, müssten binnen weniger Jahre Verbrauchsminderungen von rund 50 Prozent erzielt werden.

Durch die Diskussionen über ein Verbot für die CO2-freundlichen Dieselmotoren und in der Folge das Absinken des Dieselanteils am Flottendurchschnitt rückt das Erreichen der EU-Grenzwerte in noch weitere Ferne.

Angesichts der enormen Herausforderungen für die Automobilindustrie die ab 2020 gelten-den strengen europäischen Grenzwerte bei Umstellung des Messverfahrens und Absinken des Dieselanteils zu erreichen, stellt eine weitere Absenkung der Grenzwerte für die Jahre ab 2025 und 2030 zum heutigen Zeitpunkt eine unverhältnismäßige Maßnahme dar.

Beitrag der Automobilindustrie zur CO2-Reduzierung

Gegenüber dem Jahr 2010 entspricht der Grenzwert 2020 bereits einer Reduzierung des Grenzwertes über 30 Prozent. Betrachtet man die Entwicklung seit dem Jahr 2001 (EU-Durchschnitt 170 Gramm/100 Kilometer), so wird der Ausstoß binnen zwanzig Jahren sogar um rund 45 Prozent sinken.

Die Automobilbranche hat durch die Leistung kluger Ingenieure und Techniker, z.B. durch neue Motoren- und Getriebetechnik, Start-Stopp-Automatik oder die Reduktion des Rollwiederstandes, weit überdurchschnittlich zur Reduktion der CO2-Emissionen beitragen und wird dies auch weiterhin tun. Zu beachten ist dabei immer, dass der Entwicklungszyklus neuer Fahrzeuge und Motoren im Durchschnitt 6-8 Jahre dauert. Jede Innovation muss am Markt die damit verbundenen Investitionen verdienen, um die Mittel für die nächste Generation
bereitstellen zu können.

Mit den nun von der EU geforderten Grenzwerten für 2025 und 2030 droht allerdings eine Überforderung.


Keine Zwangselektrifizierung

De facto würden die EU-Vorgaben für 2025/2030 zu einer Zwangselektrifizierung der Neuwagenflotte und einem Verbot des Verbrennungsmotors für PKW und Leichte Nutzfahrzeuge führen.

Die FDP Hessen spricht sich gegen ein politisch erzwungenes Ende des Verbrennungsmotors aus. Die Elektrifizierung von Autos wird nur erfolgreich sein, wenn sie markt- und innovationsgetrieben erfolgt. Die Kunden und Autofahrer werden neue Technologien und Antriebe nur akzeptieren, wenn sie von deren Vorteilen überzeugt sind, nicht wenn sie dazu gezwungen werden.

Die Freien Demokraten sehen für die Elektromobilität und E-Autos vielversprechende Chan-cen, insbesondere im Bereich städtischer Verkehre. Allerdings wird der Umstieg nur funktionieren, wenn grundlegende Probleme gelöst sind. Trotz hoher staatlicher Prämien in Deutschland und vielen anderen Ländern liegt der Marktanteil von E-Autos bei Neuzulassungen in Europa, Amerika und China nur zwischen ein bis zwei Prozent. Es wird heute sehr viel über Elektrofahrzeuge geredet, aber kaum jemand kauft sie.

Hohe Anschaffungskosten, fehlende Ladeinfrastruktur (einschließlich Stromleitungsnetz) und Stellflächen (insbesondere in Städten), geringere Reichweite, lange Ladezeiten und unsichere Wiederverkaufsprognosen sind nur einige Gründe für das fehlende Vertrauen der Menschen in E-Autos.

Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind nicht per se klimafreundlicher. Die CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen hängt wesentlich von der Erzeugungsform des verbrauchten Stroms ab. Solange konventionelle Kraftwerke die Basis der europäischen Stromversorgung sicherstellen müssen, ist ein positiver CO2-Beitrag von E-Autos nur unter der Voraussetzung denkbar, dass der Strom von emissionsfreien Kernkraftwerken zur Verfügung gestellt wird. Da in Deutschland die Nutzung der Kernkraft zeitnah beendet werden wird und die Versorgungssicherheit auf absehbare Zeit nur durch Kohle und Gaskraftwerke sichergestellt werden kann, wird die CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland eher schlechter bleiben, als die sparsamer konventioneller
Dieselmotoren.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt bis 2030 mindestens 27 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen. Umgekehrt heißt das aber, dass im Jahr 2030 immer noch 73 Prozent des Stroms in Europa aus konventionellen Energiequellen (einschließlich Kernkraft) stammen können. In der EU würden dann zwar auf Grund der CO2-Grenzwerte nur noch elektrifizierte Fahrzeuge zugelassen, aber die könnten zum großen Teil mit Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken versorgt werden. Diese Politik würde also nicht zu einer effektiven CO2-Reduzierung beitragen, sondern nur CO2-Emissionen vom Verkehrssektor in Richtung Energiesektor verschieben.

E-Fuels – Alternativen gleichrangig unterstützen

Statt politisch einseitig Elektroantriebe zu fördern, sollten auch Alternativen im Sinne eines effektiven Klimaschutzes gefördert werden. Das Kernproblem der Verbrennungstechnik ist nicht der Motor, sondern der verwendete Kraftstoff.

Wir Freien Demokraten fordern deshalb eine gleichrangige Förderung und Unterstützung von CO2-neutralen und treibhausgasarmen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels. E-Fuels bringen erhebliche Vorteile mit sich. Sie können von herkömmlichen Motoren und Verbrennungsöfen verwendete werden. Damit könnten nicht nur Neuwagen einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten, sondern alle 45 Millionen in Deutschland zugelassen PKW. Synthetische Kraftstoffe können die bestehende Infrastruktur (Tankstellen usw.) nutzen. Gerade im Bereich von langen Strecken, im Schwerlastverkehr, für den Flugverkehr und den Schiffs-verkehr sind absehbar keine praxistauglichen Lösungen ohne den Einsatz von E-Fuels denk-bar.

E-Fuels könnten auch in Ölheizungen zum Einsatz kommen, die in ländlichen Regionen größte Bedeutung für die Erzeugung von Wärmeenergie haben. Allein in Deutschland sind über 12 Millionen Ölheizungen im Betrieb. E-Fuels stellen damit auch einen Beitrag zur Sektorenkoppelung dar.

Die FDP Hessen fordert:

1. Alle Klimaschutzmaßnahmen müssen auf ihre Wirtschaftlichkeit,
technologische Machbarkeit und Effektivität vorurteilsfrei geprüft werden.

2. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Automobil-wirtschaft als der deutschen Schlüsselindustrie schlechthin, muss als gleichrangiges Ziel verfolgt werden. Die Sicherung der über 1,5 Millionen (direkt und indirekt) Ar-beitsplätze in der Branche hat große Bedeutung für den Wohlstand in unserem Land und den Erhalt des sozialen Friedens.

3. Autos dürfen nicht zum Luxusgut werden. Die individuelle Mobilität, die mit
dem Besitz eines Autos verbunden ist, muss erhalten bleiben.

4. Eine weitere Verschärfung der sehr strengen EU-CO2-Grenzwerte für PKW ab 2020 lehnen wir ab. Stattdessen soll ein Monitoring einsetzen, dass die Auswirkungen der 2020-Grenzwerte auf die Wettbewerbsfähigkeit, die Kundenakzeptanz, die Entwick-lung der Infrastruktur und die effektive CO2-Bilanz beobachtet.

5. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren durch die Hintertür lehnen wir ab. Elektromo-bilität wird sich dann durchsetzen, wenn sie technisch ausgereift und wirtschaftlich tragfähig ist. Diesen Prozess wollen wir positiv begleiten, aber nicht durch Zwang o-der Quoten.

6. Statt einer einseitigen Förderung von Elektromobilität setzt die FDP Hessen auf eine technologieneutrale Förderung von CO2-neutralen und treibhausgasarmen Treibstof-fen und Antriebstechnologien, die insbesondere auch Brennstoffzellentechnologie und synthetische Kraftstoffe in den Blick nimmt.