Ein starker Finanzplatz ist Grundvoraussetzung für eine starke Volkswirtschaft – Frankfurt zum führenden europäischen Finanzzentrum machen

Wohlstand, Arbeitsplätze, Wachstum und Innovation brauchen starke Finanz- und Kapitalmärkte.

Unternehmen sind auf verlässlichen, sicheren und schnellen Zugang zu Liquidität angewiesen. Produktion und Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen benötigen Finanzierung. Ohne Kapital, das Risiko trägt, sind Investitionen und Innovationen nicht möglich. Nur so entstehen neue Arbeitsplätze und neue Technologien. Den Finanz- und Kapitalmärkten kommt zudem eine besondere Bedeutung bei der Weiterentwicklung und Sicherung der Altersvorsorge und dem Vermögensaufbau breiter Bevölkerungsschichten zu. Die angebotenen Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen müssen diesen verschiedenen Anforderungen entsprechend Rechnung tragen, vielfältig sein und dafür einen Mehrwert bieten.

Dieser zentralen, dienenden Rolle in unserer Volkswirtschaft müssen Kapitalmärkte bestmöglich gerecht werden können. Dazu sind aber mehr Anstrengungen von Politik, Aufsicht, aber auch seitens der Finanzindustrie notwendig, um den Finanzplatz Deutschland stabil, wettbewerbsfähig und technologisch zukunftsfest zu machen. Unser Motto soll heißen: So viel Regulierung wie nötig, so wenig Bürokratie wie möglich. Wir erwarten aber auch von der Finanzindustrie selbst die Übernahme von mehr Eigenverantwortung.

Weltweit konzentrieren sich wichtige Finanzunternehmen und Finanzinstitutionen auf wenige Orte. Entsprechend gibt es nur wenige bedeutende Finanzplätze. Dominierendes Zentrum des Finanzsektors in Deutschland ist Frankfurt am Main. Die Ansiedlung und Schaffung wichtiger Institutionen übt eine Sogwirkung auf weitere Finanzinstitute aus. Eine entsprechende Clusterpolitik, also die Schaffung einer einzigartigen Standortkonzentration, ist heute wichtiger denn je. Trotz Digitalisierung ist die enge Vernetzung vor Ort zwischen allen beteiligten Institutionen und Personen nach wie vor ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Auch als Folge des Brexit sind zahlreiche Chancen für Frankfurt entstanden. Mit Einzelmaßnahmen, wie der Flexibilisierung des Kündigungsrechts für gutverdienende Bankmanager, hat die Bundesregierung durchaus versucht, auf die Situation zu reagieren. Wenige Einzelmaßnahmen ersetzen aber kein Gesamtkonzept, das bislang fehlt.

Eine kluge Standortpolitik muss daher vier Ziele verfolgen:

  1. Ein moderner Finanzplatz braucht eine Regulierung, die kompetent und verlässlich ist und die Innovationen zulässt.
  2. Ein moderner Finanzplatz ist digital.
  3. Ein moderner Finanzplatz ist europäisch.
  4. Ein moderner Finanzplatz Frankfurt-Rhein-Main zieht Menschen an.

1. Ein moderner Finanzplatz braucht eine Regulierung, die kompetent und verlässlich ist und die Innovationen zulässt

Nach der Finanzkrise 2008 wurde die gesamte Finanzbranche reguliert. Kein Stein blieb auf dem anderen. Wichtige Brandschutzmauern zum Schutz vor einer weiteren Krise wurden hochgezogen. Aus ordnungspolitischer Sicht sind regulatorische Maßnahmen nicht nur nützliche, sondern zwingend notwendige Instrumente. Der Staat muss sie einsetzen, um für Wettbewerb zu sorgen und die Freiheit des Einzelnen vor negativen Einflussnahmen anderer zu schützen. Eine zielführende Finanzmarktregulierung muss das Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen einer modernen Volkswirtschaft, Verbraucherschutz, bürokratiearmen Regelungen für Unternehmen und Innovationsförderung in Einklang bringen.

Wir brauchen allerdings eine fortwährende Prüfung, inwieweit unsere Regulierung dem Ziel der Finanz- und Kapitalmarktstabilität Rechnung trägt oder im internationalen Vergleich die Wettbewerbsbedingungen des Finanzplatzes erschwert. Die Reformen der letzten Jahre, insbesondere die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, haben nicht selten eine ausgewogene Balance zwischen Regulierung, Freiraum für Innovationen und geringen Bürokratiekosten verfehlt.

Neue Regulierung muss stärker als bislang die Bürokratiekosten sowie die Wechselwirkungen mit bestehenden Vorgaben berücksichtigen.

Die Bundesregierung beschränkt sich bisher allerdings im Wesentlichen auf Schadensbegrenzung, zunächst der Folgen der Finanzmarktkrise und inzwischen des Wirecard-Skandals. Im Falle von Wirecard konnte noch nicht einmal ein erheblicher Schaden für den gesamten Standort Deutschland abgewendet werden. Das Zusammenspiel der zahlreichen Akteure in der Causa Wirecard stellt so unterschiedliche Institutionen wie die Finanzaufsicht BaFin, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die mandatierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, aber auch die Deutsche Börse AG und den Aufsichtsrat der Wirecard AG an den Pranger. Und da bei einem so großen Schadensfall ein Systemversagen und ein nicht funktionierendes Ineinandergreifen der vorgenannten Institutionen in Rede steht, gehören auch alle genannten Institutionen und ihre Wirkweisen auf den Prüfstand. Der Skandal stellt insbesondere den Aufsichtsbehörden ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.

Eine Aufsicht, die selbst auf eindeutige Hinweise nicht adäquat reagiert, wird ihrem Auftrag nicht gerecht. Der Fall Wirecard zeigt: Auch die unzähligen, hoch komplizierten neuen Regeln können schwerste Schäden nicht verhindern, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Was wir sehen ist ein eklatantes Vollzugsdefizit.

Die durch die Finanzmarktkrise und den Wirecard-Skandal zu Tage getretenen Defizite sind schonungslos zu analysieren. Der Regulierungsrahmen muss nachgebessert werden und die vorhandenen Regulierungen auf ihre Effizienz überprüft werden.

Für gute Wettbewerbsbedingungen ist bei der Ausgestaltung der Banken-Regulierung den spezifischen Interessen der deutschen Kreditwirtschaft und des Finanzplatzes Frankfurt Rechnung zu tragen. Nicht zwingend erforderliche Vorschriften und Maßnahmen sind abzubauen. Deutschland sollte seine Stimme vor allem auf europäischer Ebene erheben, um bei anstehenden Novellen in der Finanzmarktregulierung überflüssige und widersprüchliche Regelungen zu streichen. Ferner sollte Deutschland nicht über die durch die EU gesetzten Mindeststandards hinausgehen, um die Kosten der Regulierung für Finanzinstitutionen im Rahmen zu halten und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Institute im europäischen und weltweiten Vergleich nicht zu gefährden.

„Kleine Institute“ haben die gleichen regulatorischen Anforderungen zu erfüllen wie internationale Großbanken. Dadurch werden ihnen im Vergleich zu diesen internationalen Wettbewerbern überproportionale Kosten auferlegt. Den hohen Kosten durch die Regulierung steht widersprüchlicher Weise in der Regel ein geringes systemisches Risiko gegenüber. Bei der Regulierung müsste verstärkt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewendet werden.

Die europäischen Großbanken zeichnen sich immer stärker durch einen Bedeutungsverlust im Vergleich mit ihren amerikanischen und chinesischen Konkurrenten aus (gemessen an Marktkapitalisierung und Rentabilität). Bei vielen Finanzdienstleistungen hat es Deutschland und Europa zudem nie geschafft, echte Wettbewerber zur internationalen Konkurrenz hervorzubringen.

Dies sind Warnzeichen, die nicht länger ignoriert werden können. Bundes- und Landesregierung sind aufgefordert,

  • auf europäischer Ebene der drei-Säulen-Struktur des Bankensektors (privaten Banken, öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken sowie genossenschaftliche Institute) stärkere Beachtung zu verschaffen;
  • auf europäischer Ebene achten wir auf angemessene Umsetzungsfristen für neue europäische Rechtsakte. Umsetzungen neuer Regulierungen sollten erst nach hinreichender Konkretisierung durch die zuständigen EU-Behörden erfolgen.
  • auf „Gold-Plating“ bei der Umsetzung von EU-Vorhaben zu verzichten und darauf zu achten, dass mindestens im EU-Kontext gleiche Wettbewerbsbedingungen sichergestellt werden;
  • eine Small-Banking-Box umzusetzen. Das heißt, kleinere Banken sind entsprechend ihrer Größe und dem systemischen Risiko bei den direkten und indirekten Kosten der Regulierung (z.B. Kostenumlagen der Aufsicht, Personal- und IT-Kosten, Beratungskosten) zu entlasten (Proportionalität);
  • eine Reorganisation der Aufgaben der Finanzaufsicht, insbesondere der BaFin durchzuführen. Diese muss auf mehr Risikoorientierung ausgerichtet werden, d.h. Ressourcenschwerpunkte zu setzen, die die Aufsicht in die Lage versetzt auch komplexe Sachverhalte aufzuarbeiten.
  • die Verlagerung des Hauptsitzes der BaFin weg vom BMF in Bonn hin zu den Aufsichtsobjekten nach Frankfurt, um kurzfristige Konsultation vor Ort zu ermöglichen;
  • eine schlagkräftige, schnelle Eingreiftruppe der BaFin aufzubauen, die mittelfristig in der Lage ist, sich bei Betrugsfällen eigenständig, schnell und umfassend ein Bild von möglichen Missständen und Unregelmäßigkeiten zu verschaffen;
  • eine für ganz Deutschland zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Bilanzbetrug zu schaffen, idealerweise in Frankfurt, wenn sich der Verdacht auf systematischen oder gar bandenmäßigen Betrug bestätigen sollte;
  • die Strafverfolgung von Bilanzbetrug im Bereich organisierter Kriminalität zu zentrieren und die BaFin, das BKA und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Frankfurt mit weiteren Zuständigkeiten zur Verfolgung von schwerer und organisierter Kriminalität auszustatten und personell aufzustocken;
  • die nationale und europäische Geldwäschebekämpfung zu stärken. Insbesondere die Financial Intelligence Unit (FIU) ist hierzu personell zu stärken, sodass jeder Verdachtsmeldung nachgegangen wird;
  • auf eine Produktorientierung bei der Regulierung zu setzen, die sicherstellt, dass vergleichbare Produkte vergleichbare Regulierungen nach sich ziehen, unabhängig davon, ob es sich bei dem Anbieter um eine Bank, ein FinTech oder ein IT-Unternehmen handelt;
  • im Bereich des Verbraucherschutzes eine Entbürokratisierungsoffensive zu starten, die auf klare, schlanke und nachvollziehbare Risikoinformationen setzt, statt auf die Produktion überbordender Dokumentmassen, welche kaum noch erfasst werden können; in diesem Zusammenhang werben wir für die Stärkung der schulischen Bildung im Bereich der Kapital- und Finanzmärkte.

2. Ein moderner Finanzplatz ist digital

Die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen lässt neue Unternehmen auf dem Finanzmarkt auftreten. Infolgedessen wird es in den kommenden Jahren zu erheblichen Verschiebungen in der Wertschöpfung und einer damit verbundenen Umwälzung bestehender Strukturen kommen. Wer Gewinner und Verlierer dieses Strukturwandels sein wird, ist noch nicht entschieden. Deutschland hat mit dem Finanzplatz Frankfurt gute Chancen, auch weiterhin über einen starken Standort zu verfügen.

Banken, die die Technologie vernachlässigen, wird es bald nicht mehr geben. Deutschland als moderner Kapitalstandort muss das Geschäft der Zukunft verstehen und daraus Wertschöpfung generieren. Wenn wir allerdings so weitermachen wie bisher, werden weder die bestehenden Institute noch neue europäische FinTechs international eine Rolle spielen.

Neben einer Risikobetrachtung neuer Technologien und Geschäftsmodelle müssen immer auch die Chancen jener Technologien und Geschäftsmodelle gesehen und aktiv gefördert werden.

Schriftform- oder Urkundenerfordernisse stammen aus der Vergangenheit und erschweren die Digitalisierung hierzulande. Deutschland benötigt eine innovationsfreundliche Regulierung, die an das Ziel des Leitbildes der Technikneutralität angepasst werden muss.

Die Blockchain-Technologie ist dabei zu fördern. Mit dem Gesetzentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren („eWpG“) geht die Bundesregierung einen überfälligen Schritt. So können Anleihen und Investmentfonds zukünftig auch in rein digitaler Form ausgegeben werden. Bei Aktien ist dieser Schritt allerdings noch nicht vorgesehen. Er muss umgehend folgen, so dass auch diese Werte „dematerialisiert“ werden können. Der Regulierungsvorschlag ist auch in anderen Teilen zu restriktiv. Das eWpG ist kein “Sandbox-Gesetz” und sieht für die Begebung elektronischer Inhaberschuldverschreibungen einen Regulierungsrahmen vor, wie er derzeit von etablierten Marktteilnehmern für herkömmliche Emissionen bewältigt werden kann. Der Blockchain-Markt wird indessen maßgeblich von Startups entwickelt, geprägt und vorangetrieben. Der Entwurf wird diesem Sachverhalt infolge der darin vorgesehenen sehr hohen finanziellen und regulatorischen Anforderungen nicht gerecht, da diese Startups strukturell vom Markt für elektronische Wertpapiere aussperren.

Die Einführung eines digitalen und programmierbaren Euros (E-Euro) sollten zudem viel intensiver geprüft und begleitet werden.

Es bedarf darüber hinaus der Entwicklung echter europäischer Cloud-Systeme, um IT-Systeme grenzüberschreitend einsetzen zu können.

Big Data und KI sind auch im Finanzbereich wesentliche Innovationstreiber. Umso bedauerlicher ist der gewaltige Rückstand Deutschlands im Bereich der Digitalisierung. Dabei bringen Big Data und KI nicht nur für private Finanzinstitute Vorteile. Gerade auch die Überwachung der Finanzmärkte sowie die Geldwäschebekämpfung ließen sich mit neuen Technologien viel effizienter durchführen.

Um die Digitalisierung des deutschen Finanzmarktes voranzutreiben und den Finanzplatz Frankfurt zu stärken, sollte(n)

  • die Durchführung von Online-Hauptversammlungen (entweder als reine Online- Hauptversammlung oder als Hybrid-Hauptversammlung) dauerhaft – nach individueller Entscheidung durch die Unternehmen – ermöglicht werden, allerdings mit der Maßgabe, dass (1) das Fragerecht der Aktionäre bei Online-Hauptversammlungen mindestens identisch mit dem einer Präsenz-Hauptversammlung ausgestaltet wird, um z.B. auch Fragen während der Online-Hauptversammlung selbst und Nachfragen dort zu ermöglichen und es nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstandes verbleibt, bis wann Fragen eingereicht werden können, (2) dauerhaft die Möglichkeit geschaffen wird, Fragen vorab einzureichen und diese Fragen auch allen Aktionäre zugänglich gemacht werden, (3) eine Möglichkeit des direkten Austausches und der Diskussion auch über eine Online-Teilnahme geschaffen wird, (4) die Stimmrechtsabgabe bis zum Zeitpunkt der Schließung des jeweiligen Tagesordnungspunktes ändern zu können, (5) einheitliche Vorgaben für eine rechtssichere elektronische Stimmabgabe für jede Form der Hauptversammlung geschaffen werden;
  • Rahmenbedingungen für rechtswirksame digitale Identitäten geschaffen werden;
  • Finanzdienstleistungen vollständig digital durchgeführt werden können. Dazu ist es notwendig, gesetzliche Vorschriften entsprechen zu ändern. Noch bestehende gesetzliche Schriftformerfordernisse und Beurkundungserfordernisse müssen über- prüft/auf den Prüfstand gestellt und, wo möglich, durch digitale Formen ersetzt werden;
  • die Tech-Expertise in Ministerien und den nationalen Aufsehern weiter gestärkt werden. Dazu ist der verstärkte personelle Austausch zwischen den nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden zu regeln;
  • Erprobungszonen (Regulatory Sandboxes) für FinTechs und InsurTechs nach dem Beispiel Großbritanniens eingeführt werden. Dort können die Firmen ihr Geschäftsmodell für einen begrenzten Zeitraum, einen begrenzten Kundenkreis und unter der Aufsicht und Anleitung der Aufsicht testen, ohne alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllen zu müssen;
  • die Regulatorik an das Ziel des Leitbildes der Technikneutralität angepasst werden. Im Wertpapierbereich müssen urkundenlose Emissionen gleichberechtigt neben urkundenbasierte Emissionen stehen. Hierzu bedarf es ein sicherer Rechtsrahmen für Wertpapiere in den Distributed-Ledger-Technology-Systemen, d.h. auf dezentralen Datenbanken;
  • ein programmierbarer E-Euro eingeführt werden, um einfacher Wertschöpfungsprozesse auf der Blockchain durchführen zu können;
  • große Inkubatoren und Akzeleratoren im Rhein-Main-Gebiet geschaffen werden, um die strukturierte Zusammenarbeit zwischen Start-ups, dem privaten Sektor und der öffentlichen Hand zu verbessern.

3. Ein moderner Finanzplatz ist europäisch

Unabhängig vom zukünftigen Abkommen zwischen der EU und Großbritannien und der damit verbundenen Frage, wo Finanzdienstleistungen stattfinden und wie sie ausgestaltet sein werden, muss Frankfurt mehr sein als das Finanzzentrum der deutschen Volkswirtschaft. Deutschland muss sich stärker bemühen, Frankfurt zum Finanzzentrum des europäischen Binnenmarktes zu machen. Im Mittelpunkt der Diskussionen dürfen dabei nicht (nur) die Vollendung der Bankenunion und die damit verbundene europäische Einlagensicherung stehen. Vielmehr sollte umfassender das Ziel einer echten Kapitalmarktunion verfolgt werden, damit endlich ein echter europäischer Bankenmarkt entstehen kann. Nur eine Kapitalmarktunion kann sicherstellen, dass privates Kapital wirtschaftliche Risiken in sehr viel höherem Maße als bisher übernimmt und wirtschaftliche Schocks abfedert. Nicht die Staaten oder die Steuerzahler sollen haften. Nur mit einer europäischen Kapitalmarktunion können europäische Banken im internationalen Wettbewerb auf Augenhöhe mit den Banken in Nordamerika und Ostasien agieren.

Die Schaffung eines echten europäischen Kapitalbinnenmarktes verlief in der Vergangenheit zu schleppend. Die starke Fragmentierung beschert uns bisher viele nationale Kapitalmärkte in Europa. Ein Flickenteppich der uns alle bremst.

Wir Freien Demokraten stehen für eine Innovationsunion im Kapitalmarkt und lehnen eine Schuldenunion ab. Dazu sind jetzt unverzüglich Schritte nach vorne notwendig. Der Aufbau der Kapitalmarktunion ist auch Voraussetzung dafür, gestärkt aus der Coronakrise herauszukommen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Kapitalmarktes, damit verbunden aber auch der Realwirtschaft, muss verbessert werden.

Heute muss ein europäisches Finanzunternehmen 27 KYC-Prozesse (Know-Your-Customer – eine insbesondere für Kreditinstitute und Versicherungen vorgeschriebene Legitimationsprüfung von bestimmten Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche) kennen und anwenden, 27 nationale Steuersysteme beherrschen und sich mit 27 Finanzaufsichtsbehörden auseinandersetzen. Das erschwert die Skalierung des nationalen Geschäfts auf ganz Europa. Zukünftig sollte jede neue europäische Regulierung einheitlich in ganz Europa gelten. 27 verschiedene nationale Umsetzungen müssen der Vergangenheit angehören.

Eigenkapital in den Händen Privater wird, wie die Covid-19-Krise lehrt, für Risikotragung und Krisenbewältigung wichtiger denn je. Die Pandemie zeigt Europa erneut, dass viele Unternehmen in der EU zwar gute Geschäftsmodelle haben, aber eine schlechte Eigenkapitalausstattung besitzen. Es wird Zeit, das endlich zu ändern. Von einer Kapitalmarktunion würden darüber hinaus auch die Verbraucher profitieren. Sie hätten viel mehr Wahlmöglichkeiten und Schutz bei der langfristigen Vermögensanlage.

Die Bundesregierung muss mit der hessischen Landesregierung zusammenarbeiten, um den Finanzplatz Frankfurt an die Spitze Europas zu führen. Frankfurt kann und sollte Kern des europäischen Kapitalbinnenmarktes werden. Dazu sollten

  • Hindernisse für grenzüberschreitende Finanzmarkttätigkeiten abgebaut werden, sodass Finanzinstituten das Kundenpotenzial des gesamten Kontinents zur Verfügung steht. Das bestehende Kapitalmarktrecht in den 27 Mitgliedsstaaten muss harmonisiert werden. Zur Forcierung der Harmonisierung sollte künftig jede neue europäische Regulierung überall in der EU einheitlich umgesetzt werden;
  • die 16 Punkte des neuen Aktionsplans der EU-Kommission zur Kapitalmarktunion dieses Mal zeitnah umgesetzt werden, damit die Eigenkapitalbasis europäischer Unternehmen gestärkt wird;
  • die Umsetzung von Sustainable Finance verbraucherfreundlich und praktikabel ausgestaltet werden, sodass Nachhaltigkeitsrisiken adäquat erfasst und ausgewiesen werden, zugleich aber die Bildung neuer Klumpenrisiken bei einzelnen Anlagepositionen vermieden wird;
  • die Umsetzung von Sustainable Finance, gerade auch bei mittelständischen Unternehmen der Realwirtschaft, keine übermäßigen Belastungen entstehen;
  • müssen die Bundes- und Landesregierung zusammen mit der Deutschen Börse Konzepte entwickeln, um das Handels- und Clearinggeschäft, das derzeit noch in London liegt, mit dem Brexit nach Frankfurt zu holen;
  • die Wirtschaftsförderung des Standortes Frankfurt muss wie in Frankreich Chef- bzw. Chefinnensache sein, und durch Roadshows, engagiertes Marketing, Stärkung des Techquartier etc. verbessert werden;
  • ein in Frankfurt ansässiges Finanzgericht geschaffen werden, das internationale Streitfälle nach englischem Recht und in englischer Sprache klärt;
  • die in Frankfurt ansässigen Wissenschaftsinstitute müssen weiter gestärkt werden.

4. Ein moderner Finanzplatz Frankfurt-Rhein-Main zieht Menschen aus der ganzen Welt an

Auch die Attraktivität der Region als Wohn- und Arbeitsort entscheidet über die Zukunft des Finanzplatzes: Die Region Frankfurt-Rhein-Main muss daher eine weltweit bekannte Marke auch für Lebensqualität vor Ort werden, damit internationale Führungs- und Fachkräfte sich für sie als Standort und Arbeitsplatz entscheiden.

Andere Metropolregionen wie Paris, London, Madrid oder Amsterdam sind bekannt für ihr Ambiente und eine hohe Lebensqualität. Wer frei entscheidet, wo er leben will, kennt diese Städte, denn sie haben eine klare Marke. Die Marke Rhein-Main muss noch besser werden. Wir haben alle Chancen dafür: Wer in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main arbeitet und lebt, findet ein ausgezeichnetes Kulturangebot und hohe Lebensqualität vor. Kunst und Kultur prägen die Region genauso wie zum Beispiel der Rheingau, der Taunus oder der Spessart, aber auch Wiesbaden und Darmstadt.

Um die Marke Frankfurt-Rhein-Main weiter aufzubauen, muss die Aufenthaltsqualität und das Lebensgefühl der Metropolregion gestärkt werden. Der Wiederaufbau der Neuen Altstadt war deshalb ein richtiger Schritt, aber es muss noch mehr passieren. Dazu gehören Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit, aber auch attraktive Baugebiete und Naherholung. Neben der Aufenthaltsqualität sind es die Menschen, die einen Standort attraktiv machen: Die drei T von Talent, Technik und Toleranz bilden das Umfeld, in dem sich der Nährboden für Kreativität bilden kann, die eine Metropole ausmacht. Jobs folgen Menschen! Die Entscheidung für den Standort darf nicht nur eine Entscheidung des Verstandes auf Grund guter Rahmenbedingungen sein, sondern muss auch eine Entscheidung des Herzens auf Grund einer attraktiven Metropolregion werden.