Europa braucht eine stabile Währung – Für eine vernünftige Haushalts- und Wirtschaftspolitik als beste Strategie gegen weitere Währungskrisen

Mit der Etablierung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie des Stabilitätspaktes verbanden die Menschen in Deutschland nicht nur die Erwartung einer andauernden wirtschaftlichen Prosperität und Stabilität, sondern auch ihre Zustimmung zur weiteren europäischen Integration.

Die Liberalen haben sich seit Jahrzehnten für den europäischen Einigungsprozess eingesetzt. Nicht zuletzt deshalb hat die europäische Wirtschaftsverfassung eine äußerst liberale Handschrift. Wir brauchen ein gemeinsames Europa mehr denn je, wirtschaftlich genauso wie als Wertegemeinschaft. Fast 60 Prozent unserer Exporte gehen in Länder der Europäischen Union. Knapp 40 Prozent in Länder der Eurozone.

Was uns in Europa verbindet, sind gemeinsame Werte. Von der Freiheit des Einzelnen über den Schutz vor staatlicher Willkür, sowie Demokratie und Meinungsfreiheit. In Zeiten der Globalisierung ist es deshalb richtig und notwendig, dass wir unsere Werte bündeln und unser politisches sowie wirtschaftliches Gewicht in eine Waagschale legen. Europa ist für uns Instrument und Ziel gleichermaßen, liberale Ideen umzusetzen. Die hessischen Liberalen bekennen sich zu dieser langjährigen Tradition liberaler Außenpolitik.

Die Währungsunion und mit ihr die gesamte Europäische Union steht derzeit jedoch vor einer der größten Herausforderungen seit ihrem Bestehen. Es gilt die Stabilität und Glaubwürdigkeit der gemeinsamen Währung zu erhalten und damit den hohen Erwartungen der Menschen in Deutschland und Europa gerecht zu werden.

Dies wird nur gelingen, wenn die Staaten der Eurozone zu ernsthaften Reformen bereit sind. Die aktuelle Krise zeigt, dass ohne eine nachhaltige Wirtschafts- und Fiskalpolitik in allen Ländern der Eurozone eine Währungsunion auf Dauer nicht erfolgreich sein kann.
Der Rat und die Mitgliedstaaten haben mit ihrem unvermittelten Eintreten am 09. Mai 2010 vor allem Handlungsfähigkeit und Stärke demonstriert. Europa kämpft für seine Währung.

Die Maßnahmen, die sowohl Überbrückungszahlungen an betroffene Staaten bis zu einer Höhe von 60 Mrd. Euro als auch staatliche Garantien in Höhe von 440 Mrd. Euro sowie Garantien des Internationalen Währungsfonds (IWF) von bis zu 250 Mrd. Euro vorsehen, haben zur Beruhigung der Märkte beigetragen.

Diese Maßnahmen müssen jedoch eine einmalige Hilfsaktion bleiben. Europa hat sich mit dem Vertrag von Lissabon erst kürzlich eine neue Grundlage der Zusammenarbeit gegeben. Ein finanzielles Einstehen für schlecht haushaltende Staaten ist darin mit guter Begründung nicht vorgesehen. Die Liberalen werden nicht zulassen, dass im Zuge von Finanz- und Wirtschaftskrise und ohne demokratisch legitimiertes Verfahren an diesen Grundfesten der Währungsunion gerüttelt wird.

Bilaterale Parallelstrukturen zu den europäischen Verträgen wie die jüngst gegründete Zweckgesellschaft lehnen die Liberalen grundsätzlich ab. Diese hebeln die demokratischen Verfahren aus, die in den Verträgen erkämpft wurden und verführen zudem, weniger auf europäische Einigungen hinzuarbeiten. Insbesondere im sensiblen Bereich der gemeinsamen Währung dürfen durch bilaterale Aktionen keine Fakten geschaffen werden, die geeignet sind, das Wesen der Europäischen Union langfristig zu verändern. Die Liberalen setzen sich deshalb konsequent dafür ein, dass die Maßnahmen wie vorgesehen bis zum 30.06.2013 begrenzt bleiben.

Einer Transferunion erteilen wir eine klare Absage. Deutschland hat in den letzten Jahren durch moderate Tarifabschlüsse und Reformen im Sozialbereich enorme gesellschaftliche Kraftanstrengungen unternommen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Ein finanzielles Einstehen für Länder, die dazu nicht bereit waren, würde auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland erfolgen.
Die Finanzkrisen sind nicht eine Folge von Marktversagen, sondern von Staatsversagen.

Mit großer Sorge haben die Liberalen die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Kenntnis genommen, Anleihen von hochverschuldeten Euro-Staaten auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen. Bis Ende Mai 2010 hat die EZB bereits Anleihen in einem Volumen von über 40 Mrd. Euro aufgekauft, Berichten zufolge zu einem Großteil von französischen Banken. Damit besteht die Gefahr, dass jedenfalls mittelbar eine neue billige Verschuldungsmöglichkeit für Euro-Staaten und ein neues Geschäftsmodell für Banken geschaffen wird. Dies kann nicht die Antwort auf desolate Haushalte in Europa sein.

Den Vorschlag der Ausgabe von Eurobonds (europäische Staatsanleihen) lehnen die Liberalen ebenfalls aufs Schärfste ab. Die Vergemeinschaftung der Schuldenaufnahme in Europa und damit die Abkopplung der Risiken von den tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeiten der Schuldnerstaaten wäre das Ende einer gemeinsamen stabilen Währung.

Mit Bedauern hat die FDP Hessen zur Kenntnis genommen, dass es nicht gelungen ist, eine Umschuldung Griechenlands zu erreichen. Dies hätte in einem besonderen Maß dafür gesorgt, dass der Finanzsektor an den Kosten der Krise beteiligt würde. Banken müssen ihr Risiko selbst tragen. Die hessischen Liberalen unterstützen mit Nachdruck die Schaffung neuer Restrukturierungs- und Umschuldungsregeln für überschuldete Staaten.

Die Liberalen setzen sich vehement für eine Reform der Sanktionsmechanismen im Stabilitätspakt ein. In der Vergangenheit konnte sich Griechenland durch die Übermittlung falscher Daten den Zugang zum Euro erschleichen, und große Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich konnten den in den Verträgen vorgesehenen Defizitverfahren aus politischen Gründen entgehen. Dies darf sich nicht wiederholen. Die hessischen Liberalen unterstützen deshalb insbesondere die Vorschläge, dem Europäischen Statistikamt EUROSTAT stärkere Zugriffs-, Durchgriffs- und Kontrollrechte zu geben und den Stabilitäts- und Wachstumspakt so zu modifizieren, dass deutlich spürbare Sanktionen verhängt werden können, wie etwa die Sperrung von Mitteln aus dem EU-Struktur- und Kohäsionsfond sowie die Suspendierung von Stimmrechten.

Die Liberalen akzeptieren die besondere Situation, in der sich Europa Anfang Mai 2010 befunden hat. Ziel der Anstrengungen muss es aber sein, die Mitgliedstaaten auf einen haushaltspolitisch verantwortlichen Kurs zu bringen. Der Staat ist nicht das Opfer der Finanzkrise, sondern deren Verursacher. Landesbanken, die quasi risikolos mit Steuergeldern zweckfremd operieren konnten, dauerhaft defizitäre Haushalte in den Mitgliedstaaten und das fehlende Interesse an globalen Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Märkte das Vertrauen in die ökonomische Stabilität von Staaten (der Eurozone) verloren haben.

Milliardenschwere Hilfs- und Konjunkturpakete haben die desolate Haushaltslage weiter verschärft. Sie haben bei einigen europäischen Regierungen zudem auch alte staatsinterventionistische Reflexe ausgelöst, getreu der Annahme, dass es der Staat besser könne als der Markt. Dagegen wehren sich die Liberalen vehement. Wir wenden uns gegen jede Form des europäischen oder bilateralen Staatsdirigismus. Wir lehnen deshalb Staatshilfen und Beteiligungen an potente Unternehmen ebenso ab wie wir für eine stärkere Kürzung von Subventionen eintreten.

Grundvoraussetzung für einen stabilen Euro ist die strikte Haushaltsdisziplin der Eurostaaten. Die Maastricht-Kriterien, welche einen Gesamtschuldenstand von 60 % und eine Neuverschuldung von 3 % des Bruttoinlandsprodukts zulassen, sind Maximalwerte und im Regelfall zu unterschreiten. Die Hauptaufgabe der Euro-Staaten ist es deshalb, zu einer vernünftigen Wirtschafts- und Haushaltspolitik zurückzukehren.

Als größte Volkswirtschaft in der EU und größtem Mitglied des Euro-Raums kommt Deutschland dabei eine Vorbild- und Vorreiterrolle zu. Die FDP bekennt sich zu dieser Aufgabe und ist bereit, im Sinne der Generationengerechtigkeit und der Währungsstabilität harte und unpopuläre Einsparungen auf Bundes- und Landesebene mitzutragen. Bei den Spar- und Konsolidierungsbemühungen muss jedoch darauf geachtet werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht beeinträchtigt wird. Deswegen lehnen die Liberalen Steuererhöhungen jeglicher Art, auch zur Rettung anderer europäischer Staaten, ab. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Freisetzung von volkswirtschaftlichen Potentialen sind haushaltspolitisch die geeigneteren Lösungsansätze und ergeben bessere und nachhaltigere Einsparmöglichkeiten für den Staat.

Die hessischen Liberalen setzen sich daher dafür ein:

  1. Zuvörderst die Ursachen der Euro- und Finanzkrise (Staatsverschuldung, aufgeweichter Stabilitätspakt, fehlende Rahmenbedingungen) zu bekämpfen anstatt eine aktionistische Symptom- und Symbolpolitik zu betreiben.
  2. Die Sparanstrengungen, die mit dem Sparpaket der Bundesregierung ihren Anfang genommen haben, aktiv zu unterstützen und sich weiterhin konsequent und ausnahmslos gegen Steuererhöhungen einzusetzen;
  3. Die Landesregierung weiterhin bei ihren Sparanstrengungen auf Landesebene aktiv zu unterstützen;
  4. Mit aller Deutlichkeit gegenüber den europäischen Partnern für die Unabhängigkeit der EZB einzutreten. Diese ist die Grundlage der Glaubwürdigkeit der Europäischen Währung und der Garant der Geldwertstabilität;
  5. Dauerhafte Unterstützungsmechanismen zu verhindern, auch damit die Maßnahmen zur Unterstützung Griechenlands und zur Wahrung der Stabilität der europäischen Währung einmalige Vorgänge bleiben, um unverzüglich wieder zu einem vertragsgemäßen Zustand zurückzukehren. Insbesondere dürfen ab dem 30.06.2013 durch die Zweckgesellschaft keine weiteren Kreditfazilitäten für Euro-Staaten mehr eingerichtet werden;
  6. Dass Aufgaben der Zweckgesellschaft nicht auf europäische Institutionen übertragen werden;
  7. Dass sich die Finanzmarktreform und Finanzmarktsteuern an den Vorschlägen des IWF orientiert; hierbei ist besonders darauf zu achten, dass bei dieser Finanzmarktreform

    · Qualität und Transparenz des Kernkapitals zu erhöhen und international unterschiedliche Bilanzierungsvorschriften für Banken zu harmonisieren sind, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

    · bei Eigenkapitalanforderungen ein Zuschlag für systemrelevante Institute zu prüfen ist

    · staatliche Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismen zu schaffen sind, damit die Haftung von Eigenkapitalgebern und Gläubigern nicht vollständig ausgeschlossen wird

    · regulierte Börsenplattformen als Ersatz für den wenig transparenten außerbörslichen Handel zu schaffen sind.

  8. Die Bemühungen um eine Reform des Stabilitäts- und Währungspaktes aktiv zu unterstützen, eine Zustimmung zu einem reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt jedoch davon abhängig zu machen, dass die Stabilitätskriterien verstärkt und über striktere Sanktionen sowie einen automatisierten Vollzug gewährleistet werden.
  9. Für eine bessere Kontrolle von Ratingagenturen; Rating-Agenturen sollen verpflichtet werden, Bewertung und Beratung zu trennen
  10. Dass bei der Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Finanzkrise sichergestellt wird, dass es nicht zu europäischen oder gar deutschen Alleingängen kommt. Dies würde zur massiven Benachteiligung des wichtigsten deutschen Finanzstandorts Frankfurt am Main und zu Liquiditätsabflüssen aus Deutschland bzw. Europa führen.

    Bei der Bankenabgabe ist darauf zu achten,

    · dass die Einnahmen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließen.

    · für diese ein spezieller Fonds eingerichtet wird.

    · die in einem solchen Fonds gesammelten Mittel lediglich zur Restrukturierung oder Abwicklung insolventer Banken verwendet werden.

    · nicht übermäßig Kapital entzogen wird

  11. Dass die Deutsche Bundesbank wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Bankenaufsicht übernimmt, ohne dass der Umfang der bisherigen rechtlichen Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank berührt wird.

    Die weitere Zukunft der Europäischen Union wird im besonderen Maß von ihrem wirtschaftlichen Erfolg abhängen. Nur wenn es Europa schafft, den Menschen das Gefühl von wirtschaftlicher Sicherheit und Handlungsfähigkeit zu vermitteln, werden weitere Integrationsschritte möglich sein.

    Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass im Zuge der aktuellen Krisensituation und notwendigen Reformprozessen die Kommunikation und Vermittlung der politischen Konzepte den Menschen gegenüber nicht aus den Augen verloren wird. Der Stärkung der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Europäischen Union über eine Einbindung dieser in die Politikgestaltung muss daher besondere Beachtung geschenkt werden. Eine elementare Bedeutung kommt dabei den Regionen Europas zu. Durch sie wird europäische Politik bürgernah praktiziert. Gerade in Deutschland mit seinem Zweikammersystem kommt den Bundesländern durch die Mitwirkung über den Bundesrat eine besonders verantwortungsvolle Bedeutung zu. Unter liberaler Mitwirkung nimmt Hessen aktiv die durch die Rechte und Pflichten des Lissabonvertrags gewachsene europäische Verantwortung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger wahr.