Für eine konsequent liberale Wirtschafts- und Währungspolitik in Europa
Genau ein Jahr nach dem Beschluss der Euro-Länder dem bankrotten Griechenland zu helfen, hat der Europäische Rat vom 24./25. März 2011 die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten, den Euro-Rettungsschirm auf unbestimmte Zeit zu verlängern, begrüßt und den Weg für die notwendige Vertragsänderung (Art. 136 AEUV) frei gemacht.
Der vorgesehene ständige Stabilitätsmechanismus (ESM) soll eine Gesamtkapitalausstattung von 700 Mrd. Euro haben und effektiv bis zu 500 Mrd. Euro ausleihen können. Seine Arbeit soll er Mitte 2013 aufnehmen. Deutschland wird ab 2013 in fünf Raten ca. 22 Mrd. Euro bar in den Fond einzahlen und übernimmt zugleich Bürgschaften in Höhe von 168 Mrd. Euro. Das deutsche Engagement zur Rettung des Euros steigt damit um 42 Mrd. Euro von rund 148 Mrd. Euro auf 190 Mrd. Euro. Gleichzeitig wurde ein Automatismus vereinbart, dass ESM mit einfacher Mehrheit beschließen kann, das eingezahlte Stammkapital wiederherzustellen, wenn dies durch das Auffangen von Verlusten, etwa den Ausfall eines Geberlandes, verringert wurde.
Der ESM wird durch einen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes als zwischenstaatliche Organisation nach dem Völkerrecht eingerichtet.
Die Entscheidungen über die Gewährung von Hilfen sollen die Finanzminister der Euro-Staaten in einem Verwaltungsrat treffen. Der ESM kann entweder Kredite an die betroffenen Staaten ausgeben oder Staatsanleihen von den Staaten erwerben. Ankäufe von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt (z.B. von privaten Gläubigern) sind bisher ausdrücklich verboten. Die finanziellen Hilfen des ESM sind bisher an strenge Kriterien gebunden. Zum einen muss die Währungsunion in ihrer Gesamtheit gefährdet sein, zum anderen müssen sich Empfänger von ESM-Krediten zu strikten Einsparungen und Wirtschaftsreform verpflichten.
Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone vom 21.03.2011 lässt auch eine Ausweitung des Aktionsradius des Fonds ausdrücklich zu. So heißt es in dem Beschluss, dass der Verwaltungsrat des ESM „die Instrumente, die dem ESM zur Verfügung stehen, überprüfen und beschließen und Änderungen vornehmen kann“. Der Verwaltungsrat fasst die Beschlüsse über die Gewährung von Finanzhilfen, die Bedingungen der Finanzhilfen, die Darlehnskapazität des ESM und die Änderungen des Instrumentariums durch gegenseitiges Einvernehmen, in der Regel einstimmig, wobei Stimmenthaltungen die Annahme eines Beschlusses nicht verhindern. Alle anderen Beschlüsse werden mit qualifizierter Mehrheit getroffen.
Gleichzeitig wurde der Euro-Plus-Pakt beschlossen, dem auch Nicht-Euro-Länder beitreten können. Damit sind die Grundlagen für eine Europäische Wirtschaftsregierung geschaffen worden. So sollen „konkrete Verpflichtungen und Maßnahmen“ davon eingeschlossen sein. Die neuen Verpflichtungen werden in die nationalen Reform- und Stabilitätsprogramme aufgenommen und dem regulären Überwachungsrahmen unterworfen sein. Die Kommission wird eine „starke zentrale Rolle“ bei der Überwachung und der Erfüllung der Verpflichtungen zukommen. Die Anstrengungen werden alle prioritären Politikbereiche abdecken, die für die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz von maßgeblicher Bedeutung sind. Alle Staats- und Regierungschefs werden jedes Jahr konkrete nationale Verpflichtungen eingehen.
Zu den konkreten Verpflichtungen von maßgeblicher Bedeutung gehören auch besondere Anstrengungen zur Verbesserung der Bildungssysteme und die langfristige Finanzierbarkeit von Renten, Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen.
Die Liberalen sehen diese Entwicklung mit großer Sorge. Sowohl dem Verfahren als auch dem Inhalt nach. Die gemeinsame Geschäftsgrundlage für den Euro, die Maastricht-Kriterien, werden auf diese Weise neu ausgestaltet. Beide Vereinbarungen verpflichten Deutschland auf eine Weise, die eine qualitative Änderung der Europäischen Union darstellt. Die Staats- und Regierungschefs haben eine Wirtschaftsregierung und eine Transferunion geschaffen und so gegen fundamentale liberale Überzeugungen verstoßen.
Die FDP hat noch vor weniger als einem Jahr auf allen politischen Ebenen betont, dass die Rettungsmaßnahmen eine einmalige Rettungsaktion bleiben; die Stabilitätskriterien unangetastet bleiben; Kein Euro-Land für die Schulden anderer Euro-Länder einstehen muss; Multilaterale Parallelstrukturen außerhalb des Vertrages von Lissabon abgelehnt werden; Eine Transferunion strikt abgelehnt; Anleihenkäufe der EZB mit großer Sorge gesehen und die Befristung der Rettungsmaßnahmen betont. Die FDP hat zudem gefordert, die privaten Gläubiger stärker in die Pflicht zu nehmen.
Von diesen Forderungen sind die aktuellen Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs weit entfernt.
Die Liberalen Hessens bedauern, dass solch weitreichenden Beschlüssen ohne breiten gesellschaftlichen Dialog und mit hoher Geschwindigkeit zugestimmt wurde. Dies ist umso misslicher, weil auch liberale Mitglieder der Bundesregierung beteiligt waren. Die Menschen haben die FDP in die Bundesregierung gewählt, um einen ordnungspolitischen Kompass sicherzustellen. Die Zustimmung zu diesen beiden Pakten lässt diesen Kompass vermissen. Weder konnte erreicht werden, dass der Einsatz von Steuermittel die ultimo-ratio ist und erst nach einem Schuldenschnitt eingesetzt werden darf, noch konnte erreicht werden, dass es einen echten Wettbewerbspakt gibt. Im Gegenteil. Es wurden weitreichende Zugeständnisse in der Wettbewerbs- und Haushaltspolitik gemacht. Die Bundesregierung hat wage Versprechen gegen harte Währung getauscht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Vertrag von Lissabon betont, dass Bundesrat und Bundestag bei weiteren Integrationsschritten und deren Ausgestaltung aktiv einzubinden sind. Dabei darf sich die Rolle des Gesetzgebers nicht in einem einmaligen Zustimmungsakt erschöpfen. Eine Zustimmung „auf Vorrat“ werden die Liberalen nicht akzeptieren. Die politische Verantwortung gegenüber dem Bürger tragen insbesondere die nationalen Parlamente. Dieser Verantwortung werden die Mitglieder des Bundestages und Bundesrates nicht in einem einmaligen Zustimmungsakt gerecht, sondern erstreckt sich auch auf den weiteren Vertragsvollzug. Dies gilt auch und insbesondere für die europäische Integration.
Die Zusagen zum Pakt für den Euro Plus und dem ESM können jedoch schwerlich zurückgenommen werden. Deutschland steht bei den europäischen Partnern im Wort. Es kann deshalb nur darum gehen, durch eine engmaschige parlamentarische Absicherung, insbesondere durch einen Parlamentsvorbehalt, die Schwelle für ein Tätigwerden des ESM derart hoch zu legen, dass eine Inanspruchnahme wirklich nur eine ultimo-ratio bleibt. Dabei muss detailliert nachgewiesen werden, dass eine Gefahr für den Bestand der Eurozone als Ganzes besteht. Für den Pakt Euro Plus muss gelten, dass verbindliche Verpflichtungen nur nach vorheriger Einwilligung der beiden betroffenen parlamentarischen Institutionen an die Kommission versandt werden. Dies betrifft insbesondere auch Bereiche in alleiniger Zuständigkeit der Länder, wie die Bildungspolitik.
Die Hessischen Liberalen fordern, in einem neuen Begleitgesetz den Deutschen Bundestag und Bundesrat in kommende Entscheidungen des ESM und bezüglich des Paktes Euro Plus maßgeblich einzubinden. Dazu gehören eine frühestmögliche Information und eine Einwilligung von jeder Maßnahme und Veränderung des ESM. Die jährlichen konkreten Verpflichtungen der Staats- und Regierungschefs müssen zuvor durch beide nationalen Parlamente bestätigt werden.
Die FDP Hessen fordert deshalb die Bundestagsfraktion auf
1. Die Zustimmung zur Änderung des Art. 136 AEUV von der vorherigen Beschlussfassung eines neuen Begleitgesetz abhängig zu machen, welches detaillierte Informations- und Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat bei jeder Aktivierung und Veränderung des ESM sowie bei der Ausgestaltung der jährlichen konkreten Verpflichtungen der Bundesregierung im Rahmen des Paktes für den Euro Plus sicherstellt.
2. In diesem Begleitgesetz klarzustellen, dass die Bundesregierung keine einstimmigen Entscheidungen des Verwaltungsrats des ESM durch Stimmenthaltung herbeiführen darf. Eine Ablehnung der nationalen Parlamente muss immer auch eine Ablehnung im Verwaltungsrat des ESM bedeuten.
3. Sicherzustellen, dass eine Anpassung des bisherigen Rettungsschirms an die Regelungen des ESM nicht erfolgt. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit des ESM Anleihen auf dem Primärmarkt zu erwerben.
4. Sich dafür einzusetzen, dass der ESM auch in Zukunft keine Anleihen auf dem Sekundärmarkt erwerben darf und somit zur europäischen Bad-Bank mutiert.
5. Sicherzustellen, dass es zu keinen politischen Rabatten bei den Finanzhilfen des ESM kommt. Eine Aufweichung der Kriterien für Finanzhilfen darf es keinesfalls geben.
6. Weiterhin darauf zu pochen, dass im Falle von Verstößen gegen den Stabilitätspakt automatisch Sanktionen greifen.
7. Die Einführung einer Europäischen Finanztransaktionssteuer ebenso kategorisch abzulehnen, wie EU-Steuern.
8. Dafür zu sorgen, dass vor einer Inanspruchnahme von Krediten des ESM die privaten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
9. Sich weiterhin für die Unabhängigkeit der EZB stark zu machen.