Hände weg von der HGO
Die von der CDU-SPD geführten Landesregierung geplante umfassende Reform der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) stellt einen der weitreichendsten Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung der letzten Jahre dar.
Der Landesparteitag beauftragt das Landespräsidium, unverzüglich in Gespräche mit CDU und SPD einzutreten, um eine konstruktive Lösung zu erreichen. Dabei sind folgende Punkte zu verfolgen: die Beibehaltung des Hare-Niemeyer-Verfahrens zur Sicherung einer gerechten Sitzverteilung, der Erhalt der Ein-Personen Fraktion zum Schutz der demokratischen Teilhabe besonders in kleineren Kommunen sowie die Beibehaltung der qualifizierten Mehrheiten bei grundlegenden Strukturentscheidungen. Bei den Gesprächen soll die Expertise der Vereinigung Liberaler
Kommunalpolitiker (VLK) eingebracht werden, die diese Forderungen aus ihrer langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung heraus erarbeitet haben. Die geplanten Änderungen der HGO benachteiligen kleinere Parteien und
Wählervereinigungen, deren Stimmen so an Gewicht verlieren, im schlimmsten Fall ganz unter den Tisch fallen, und deren ehrenamtliche Arbeit erschwert wird. Sie setzt sich deshalb entschieden gegen diese Pläne ein, um die politische Vielfalt vor Ort zu bewahren:
1.Beibehaltung der Ein-Personen-Fraktion
Die FDP Hessen lehnt die von der Landesregierung beabsichtigte Streichung des § 36b HGO und damit die Abschaffung der Ein-Personen-Fraktion ab. Der bisherige § 36b HGO soll weiterhin Bestand haben. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Ein-Personen-Fraktion die Arbeitsfähigkeit der Gemeindevertretung behindert. Gerade in kleineren Kommunen ist es wichtig, dass alle Gemeindevertreter die gleichen Informationen erhalten. Entfällt der Fraktionsstatus für Ein-Personen- Fraktionen, ist das nicht mehr gewährleistet. Mandatsträger ohne Fraktionsstatus werden sich in Eigenregie die Informationen, die zur adäquaten Amtsausübung, beispielsweise die Arbeit in Ausschüssen, nötig sind in den zuständigen Abteilungen der Verwaltungen selbst einholen müssen. Der Verwaltungsaufwand würde steigen. Da die bisherige Regelung zur Ein-Personen-Fraktion ohnehin nur in Gemeinden mit bis zu 23 Gemeindevertretern greift, ist in diesem Zusammenhang auch ein ausreichendes Stimmgewicht vorhanden, das in etwa dem von 3 Mandaten einer großen Stadtverordnetenversammlung i.S.d. § 38 HGO entspricht.
2.Reduzierung der Zahl der Gemeindevertreter weiterhin nur mit Zwei-Drittel- Mehrheit
Die FDP Hessen lehnt die von der Landesregierung beabsichtigte Neufassung des § 38 HGO, die den Wegfall der bisher erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Änderung der Hauptsatzung mit dem Ziel der Absenkung der Zahl der Gemeindevertreter vorsieht, ab. Zukünftig soll hierfür eine einfache Mehrheit ausreichend sein. In diesem Zusammenhang fordert die FDP Hessen die Beibehaltung der bisherigen Regelung in §38 HGO, wonach eine Änderung der Zahl der Gemeindevertreter mit zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreter beschlossen werden muss. Angemessene Verkleinerungen von Kommunalparlamenten begrüßt die FDP Hessen grundsätzlich, allerdings nur, wenn dies auf einem breiten parlamentarischen Konsens beruht. Die Entscheidung über die Reduzierung der Anzahl der Gemeindevertreter ist eine der weitreichendsten innerorganisatorischen Entscheidungen der Gemeindevertretungen. Diese sollte Aufgrund ihrer Bedeutung von einer breiten Mehrheit getragen werden und nicht allein von der regierenden Mehrheit gegen die Opposition beschlossen werden können.
3. Beibehaltung des Auszählverfahren nach Hare-Niemeyer in der kommunalen Sitzverteilung
Die FDP Hessen spricht sich gegen eine Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens von Hare/Niemeyer zu d´Hondt aus. Das
Hare/Niemeyer-Verfahren ist weiterhin ein von der Rechtsprechung anerkanntes Auszählverfahren, hat sich über Jahrzehnte in der kommunalen Praxis bewährt und ist in den hessischen Kommunalverwaltungen eingeübte Praxis. Eine Zersplitterung und Einschränkung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Parlamente in Hessen lässt sich nicht feststellen. Vielmehr begreift die FDP Hessen die Vielfalt aus Parteien und Wählervereinigungen grundsätzlich als eine Stärke der hessischen Kommunalpolitik. Ein Wechsel zum Auszählverfahren d´Hondt legt eine Axt an diese Vielfalt und erschwert die ehrenamtliche Arbeit der kleineren Parteien und Wählervereinigungen durch die nachteilige Berechnung der Mandatszuteilung in Kommunalparlamenten und deren Gremien. Das Auszählverfahren nach Hare-Niemeyer ist ein sogenanntes unverzerrtes Verfahren, welches bei mehrfacher Anwendung jede Partei erwarten lässt, dass aufgrund der Rundungsregeln positive und negative Differenzen von Sitzzahlen ausgeglichen werden. D.h. die Vorteile und Nachteile der Rundungen halten sich die Waage. Die Auszählung nach d´Hondtsche führt hingegen systemisch zu einer Bevorzugung
der größeren Parteien und Wählergruppen. Besonders deutlich wird dies bei der Berechnung von Ausschusssitze. Nachdem kleinere Parteien und Wählergruppen bereits bei der Mandatszuteilung benachteiligt wurden, schlägt sich dies hier aufgrund der Dopplung und kleineren Gremiengröße gleich dreifach nieder. So erhält beispielsweide bei einem Gremium mit 8 Mitgliedern eine Gruppierung auch mit 8% Stimmanteil keinen Sitz mehr.
4.Kommunaler Wohnungsbau ist eine wirtschaftliche Tätigkeit und muss als solche zählen
Die FDP Hessen spricht sich gegen eine Ausweitung des § 121 HGO aus, die Kommunen eine weitergehende wirtschaftliche Betätigung erlauben soll. Bereits heute ist eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Wesentlichen gestattet, wenn der öffentliche Zweck die Betätigung rechtfertigt, die Betätigung in einem angemessenen Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf der Gemeinde steht und der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann. Gänzlich ausgenommen von diesen Bedingungen sind bereits heute weitreichende Betätigungsfelder. Der Wegfall der Kategorisierung des kommunalen Wohnungsbaus als wirtschaftliche Tätigkeit ist für uns nicht nachvollziehbar. Der kommunale Wohnungsbau sollte ausdrücklich auf die Erstellung von sozialem, gefördertem, barrierefreiem oder bezahlbarem Wohnraum beschränkt werden. Dies ist durch Subsumtion unter die Ausnahme des „Sozialwesens“ bereits heute problemlos möglich. Kommunen und Landkreise sind schon lange überfordert, ihre eigenen Immobilien z.B.
Kindertagesstätten, Schulen und Schwimmbäder zu unterhalten und in Erneuerung zu investieren. Sie können nicht das gesamtgesellschaftliche Problem im Wohnungsbau lösen. Dass gerade jetzt in Zeiten explodierender Baukosten und hoher Zinsen Kommunen wieder unbeschränkt Wohnungsbau betreiben sollen, ist nach Meinung der FDP Hessen der falsche Weg. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen geändert werden, dass sich auch privater Wohnungsbau wieder stärker lohnt.