Industriestandort Hessen erhalten – Energiepolitik reformieren

Die Industrie und industrienahe Dienstleistungen sind Grundpfeiler der hessischen Wirtschaft. Studien zeigen, dass die hessische Industrie im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands und im internationalen Wettbewerb jedoch zurückfällt. Die Auftragslage im verarbeitenden Gewerbe ist seit über einem Jahr rückläufig und liegt unter dem Niveau des Jahres 2010. Auch die Zahl der Beschäftigten geht in einigen Bereichen deutlich zurück.

Besonders energieintensive Unternehmen reduzieren ihre Investitionen in Hessen und verlegen Produktionsprozesse und damit Wertschöpfung ins Ausland. Dabei spielt die chemische Industrie eine bedeutende Rolle. Hauptursache für diesen Trend sind laut einer Umfrage des DIHK die explodierenden Stromkosten in Deutschland. Während im Jahr 2000 eine Kilowattstunde Industriestrom in Hessen im Durchschnitt 6 Cent kostete, liegt der Preis heute bei über 15 Cent. Das entspricht einem Anstieg um 150 Prozent.

Das Fraunhofer Institut hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums die Industriestrompreise im internationalen Vergleich untersucht. Verbraucher in Frankreich zahlen rund 4,5 Cent je Kilowattstunde, in den Niederlanden 5,6 Cent, in Großbritannien 7,5 Cent und in den USA – je nach Bundesstaat – zwischen 3-4 Cent. Sogar in Dänemark, wo der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung deutlich höher ist als in Deutschland, zahlen Betriebe nur etwas mehr als die Hälfte des deutschen Preises.

Seit der Liberalisierung des deutschen Strommarktes im Jahr 1998 ist der Anteil der Steuern, Abgaben und Umlagen am Preis für Industriestrom von 2 Prozent auf 57 Prozent (2016) gestiegen. Von den 15 Cent, die heute für eine Kilowattstunde fällig sind, fließen nur etwa 6 Cent an die Stromerzeuger und Netzbetreiber. Rund 9 Cent bezahlen die Kunden für die Subventionierung erneuerbarer Energien (6,88 Cent EEG-Umlage), die Stromsteuer, den KWK-Aufschlag, die Umlage für abschaltbare Lasten, die Konzessionsabgabe, die §19 StromNEV-Umlage sowie die Offshore-Haftungsumlage. Schon die immer umfangreicher werdende Anzahl an Umlagen und Steuern zeigt, wie der Staat mit immer neuen Instrumenten in den Markt eingreift und die Stromkosten politisch nach oben treibt.

Nicht die Stromerzeugung macht den Strom teuer, sondern allein die Steuer- und Abgabenlast. Es zeigt sich auch, andere Länder fördern erneuerbare Energien intelligenter, gezielter und wirtschaftlicher.

Gerade für mittelständische Unternehmen in energieintensiven Branchen bedeuten die immer weiter steigenden Strompreise einen massiven Wettbewerbsnachteil. Anders als Großunternehmen können sie nicht ohne Weiteres Produktionsstandorte verlagern. Hessen verliert in der Folge Wertschöpfung, Arbeits- und Ausbildungsplätze, aber auch wichtiges Know-how in Schlüsselindustrien. Ganze Wertschöpfungsketten brechen auseinander mit gravierenden Folgen für die wirtschaftliche Gesamtstruktur. Wenn ein Automobilzulieferer nicht mehr produzieren kann, kommt auch die Autofabrik ins Stocken. Oftmals sind es gerade Mittelständler, die hochspezialisierte Verfahren und Produkte zur Verfügung stellen.

In diesem Jahr ist die EEG-Umlage mit 6,88 Cent auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Insgesamt bringen die Verbraucher jährlich 23 Milliarden Euro für die EEG-Förderung auf. Zum Vergleich: Im Bundeshaushalt stehen für Bildung und Forschung aktuell 16,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Etwa die Hälfte der EEG-Umlage trägt die gewerbliche Wirtschaft. In den Topf zahlen 96 Prozent aller Industrieunternehmen voll ein, nur 4 Prozent profitieren von der besonderen Ausgleichsregelung. Die Unternehmen tragen also die finanzielle Hauptlast der Energiewende.

Das Ende der Fahnenstange ist aber noch lange nicht erreicht. Im Sommer 2011, einige Monate nach Fukushima, hatte Kanzlerin Merkel versprochen, die EEG-Umlage auf dem Niveau von 3,5 Cent zu belassen. Heute wird den Verbrauchern das Doppelte abverlangt. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln wird die Ökostromumlage bis 2025 auf bis zu 10 Cent klettern. Dann müssten die Verbraucher Wind- und Solarkraft und Co. mit 33 Milliarden Euro jährlich subventionieren.

In den Berechnungen sind dabei noch nicht die Kosten für den Netzausbau und die Netzstabilisierung enthalten. Wegen der schwankenden Einspeisung von Wind- und Solarstrom müssen Netzbetreiber bei Starkwind Windkraftanlagen gegen Entschädigung abschalten. Bei Flaute werden dagegen konventionelle Kraftwerke aus der Reserve hochgefahren. Diese sogenannten Redispatchmaßnahmen kosteten die Verbraucher im Jahr 2015 rund eine Milliarde Euro. Der Netzbetreiber Tennet rechnet bis 2020 mit jährlich vier Milliarden Euro, allein für solche Maßnahmen.

Auch aus sozialpolitischen Gründen ist das EEG abzulehnen. Die hohen Subventionen sind nicht nur eine Belastung für die gewerbliche Wirtschaft, sondern auch für alle privaten Verbraucher. Während im Steuerrecht der Grundsatz einer progressiv ansteigenden Belastung verankert ist, tragen beim EEG Geringverdiener unverhältnismäßig hohe Lasten. Heute gibt es über 350.000 Familien, die wie in der Steinzeit leben müssen, weil ihnen wegen der hohen Preise der Stromanschluss abgeklemmt wurde, denn auch Hartz-IV-Empfänger müssen ihre Stromkosten selbst bezahlen.

Trotz der gigantischen Subventionen findet keine effektive Erfolgskontrolle der Energiewende statt. So hat der Bundesrechnungshof in einem aktuellen Prüfbericht dem Bundeswirtschaftsministerium attestiert, dass es keine Übersicht zu den Kosten der Energiewende besitzt.

Dass die Stromkosten trotz aller Reformen am EEG weiter steigen, hat neben wirtschaftlichen Fehlanreizen auch technisch-physikalische Ursachen. In der Hysterie nach Fukushima gab es viel blinden Aktionismus. Von Bund, Ländern und Kommunen wurden jeweils eigene Ausbauziele verkündet, ohne Abstimmung untereinander und ohne zuvor grundlegende Fragen, beispielsweise die Sicherstellung der Grundlast, zu klären. Gleiches gilt für die Frage der Stromnetze und wo welche Formen und Mengen an Stromerzeugung sinnvoll sind. Es wurde auch nicht untersucht, ob die meteorologischen Voraussetzungen in Hessen überhaupt einen so gigantischen Ausbau von Wind- und Solarenergie sinnvoll erscheinen lassen.

Im Dezember 2016 waren in Deutschland rund 27.000 Windräder mit einer installierten Leistung von knapp 50 Gigawatt am Netz. Das entspricht etwa der Kapazität von 50 Atomkraftwerken. Dazu kamen 41 Gigawatt installierte Solarstromleistung. Wind und Solar brachten es also auf stolze 90 Gigawatt. Damit könnte man die Energieversorgung Deutschlands theoretisch sicherstellen, denn die maximale Netzlast lag im Dezember bei 76 Gigawatt.

Tatsächlich sind von den 50 Gigawatt Windstrom an sechs Dezembertagen 49 Gigawatt wegen Flaute ausgefallen. Die Solarkraft konnte diesen Ausfall nicht kompensieren, da in den dunklen Wintermonaten die Sonne als Erzeugungsquelle fast vollständig ausfällt. Im Mittel lag die Auslastung der installierten Solarleistung bei geringen drei Prozent.

An immer mehr Tagen im Jahr kommt es an windstarken Tagen zu Überproduktion, beispielsweise an den Weihnachtsfeiertagen 2016. Der Strombedarf ging zu dieser Zeit zurück, während ein Rekordangebot an Windstrom im Netz war. In der Folge sackte der Strompreis an der Börse ab und wurde sogar negativ. Wer Strom abnahm, bekam dafür noch Geld obendrein geschenkt. Insgesamt kostete die „Stromvernichtung“ nur an den Weihnachtsfeiertagen die Verbraucher zusätzlich 20 Millionen Euro. Davon profitieren vor allem ausländische Stromkunden, insbesondere aus den Niederladen und der Schweiz, denen die deutschen Verbraucher teuer subventionierten Strom „schenken“.

Auch im Bereich des Klimaschutzes haben die Ziel der Energiewendepolitik nicht zum Erfolg geführt. Im Gegenteil: Das EEG konterkariert das System des europäischen Emissionshandels und hat indirekt dazu geführt, dass emissionsschädliche Erzeuger (z.B. Braunkohle) deutlich günstiger produzieren konnten somit die Reduktionsziele trotz gigantischer EEG-Förderung, bisher insgesamt fast 200 Milliarden Euro (ohne zukünftige Zahlungsverpflichtungen), nicht erreicht wurde.

Die FDP Hessen fordert deshalb:

1. Das EEG wird abgeschafft. Bestehende Anlagen genießen Rechtsschutz.

2. Alle Beihilfen und Formen öffentlich finanzierter Unterstützung für den Ausbau weiterer Erzeugungskapazitäten im Bereich der Wind- und Solarkraft werden gestrichen (ausgenommen sind Forschungs- und Demonstrationsanlagen).

3. In der Energiewirtschaft sollen die marktwirtschaftlichen Instrumente gestärkt und staatliche Eingriffe zurückgeführt werden. Die Gestaltung von Preisen und Mengen soll grundsätzlich dem Wettbewerb überlassen werden.

4. Auf gesetzliche Vorgaben zur Einspeisung von Mindestmengen (Quoten) an erneuerbaren Energien wird verzichtet.

5. Um den Industriestandort Hessen und Deutschland und insbesondere energieintensive Branchen zu erhalten, sollen alle energiepolitischen Maßnahmen auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen geprüft werden. Alle Maßnahmen, die zu steigenden Stromkosten führen können, sind zu unterlassen (Wirtschaftlichkeitsklausel).

6. Zum Schutz von Menschen und Natur sollen insbesondere für Windkraftanlagen folgende Regeln gelten:
– der Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung muss sich nach folgendem Grundsatz richten: Abstand in Metern ist gleich die Gesamthöhe der Windkraftanlagen multipliziert mit 10 (10H) (alle Formen der Wohnbebauung sind gleich zu behandeln)
– Abstände zu geschützten Vogelarten müssen mindestens den Standards des „Helgoländer Papiers“ der Landesarbeitsgemeinschaften der Vogelschutzwarten entsprechen
– die besondere baurechtliche Privilegierung von Windkraftanlagen entfällt
– Waldflächen sind grundsätzlich von der Windenergienutzung ausgeschlossen

7. Maßgebliches Instrument des Klimaschutzes soll der europäische Emissionshandel sein. Marktwirtschaftliche Instrumente sind hier zu stärken. Mindestpreise und Mindestmengen werden abgelehnt.