Liberale Perspektiven in der Klimapolitik

Freie Demokraten setzen sich schon immer dafür ein, den nächsten Generationen ein gutes Erbe zu hinterlassen: geringe Verschuldung, gute Infrastruktur, funktionierenden Rechtsstaat und eine wehrhafte demokratische Grundordnung, aber keine ökologischen Lasten. Denn diese schränken die Handlungsmöglichkeiten und damit die Freiheit künftiger Generationen ein.

Bekenntnis zu Klimaschutz als Verantwortung für künftige Generationen

„Für uns Freie Demokraten als Anwalt für Generationengerechtigkeit ist klar: Klimaschutz ist eine zentrale Menschheitsaufgabe in diesem Jahrhundert.“ Deshalb bekennen wir uns ausdrücklich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2015, durch die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen und die Schaffung von Senken bis 2050 die Klimaerwärmung unter 2°C zu halten. Wir fordern die Umsetzung des Klimaabkommens aus Respekt vor den Erkenntnissen der Wissenschaften und Vertragstreue im internationalen Kontext.

Instrumente liberaler Klimapolitik

Für die Erreichung dieses Ziels, der Reduktion von Treibhausgasemissionen, setzen wir auf marktwirtschaftliche Maßnahmen. Deshalb unterstützen wir das Europäische Emissionshandelssystem (EHS) bzw. entsprechende Maßnahmen auf Landesebene.

a) Beschleunigung des Europäischen Emissionshandelssystems

Das 2005 eingeführte EU-EHS verpflichtet die Branchen der Stromerzeugungs- und verarbeitenden Industrie sowie Fluggesellschaften, Rechte für das Ausstoßen von Treibhausgasen zu kaufen. Diese Betreiber sind für rund 45 % der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Die Zahl der Emissionsrechte und damit auch das Gesamtvolumen an erlaubter Emission wird jährlich reduziert. Wir setzen uns für eine mutige Beschleunigung der Emissionsreduktion ein, wenn der technische Fortschritt und die Wirtschaftlichkeit dies ermöglichen. Dafür soll alle 4 Jahre geprüft werden, inwieweit die jährliche Quote für die Reduktion von Zertifikaten zur Erreichung der Klimaziele verändert werden muss und kann.

b) Ausweitung des Europäischen Emissionshandelssystems als wesentliches marktwirtschaftliches Steuerungssystem

Die Freien Demokraten wollen besseren Klimaschutz und fordern die Ausweitung des EHS auf weitere Sektoren. Denn auch die heute vom EHS noch nicht erfassten Emissionsquellen Verkehr, Gebäude und Abfallentsorgung müssen ihre Treibhausgasemissionen reduzieren. Das ab 2021 in Deutschland geltende Brennstoffemissionshandelsgesetz erfasst diese Bereiche zwar, arbeitet aber mit dem Instrument der Besteuerung von Emissionen nicht marktwirtschaftlich und verzichtet anders als das EHS auf die Deckelung der Emissionen. Auch die Wirksamkeit des Brennstoffemissionsgesetzes soll deshalb alle 4 Jahre überprüft werden. Sollte sich das Gesetz als wenig wirksam erweisen, fordern wir die Weiterentwicklung zu einem marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrument nach dem Modell des EHS. Die national festgelegten Ziele für einzelne Sektoren sehen wir kritisch, denn es kommt auf die Gesamtmenge an. Wo und auf welche Weise Treibhausgase reduziert wird, muss sich immer nach technischen Möglichkeiten und nach Wirtschaftlichkeit richten. Bei allem Ehrgeiz und der Bereitschaft bei der Vermeidung von CO2-Emissionen voranzugehen, müssen wir auch stets sorgfältig darauf achten, dass wir die wirtschaftliche Basis Europas durch überproportionale Kostenbelastungen im weltweiten Vergleich nicht überfordern oder gar vernichten. Es ist weder der Umwelt noch den Menschen gedient, wenn Europa fossile Energieträger massiv reduziert, während in anderen Teilen der Welt – vorrangig in China und den USA – der Bestand an Kohlekraftwerke weiterhin ausgebaut wird. Deshalb sind die in Europa getroffenen Maßnahmen und Kosten regelmäßig nicht nur auf ihre Wirkung, sondern auch auf Ihre weltweite Angemessenheit zu überprüfen. Die Freien Demokraten fordern die Einführung von Maßnahmen mit nachgewiesener Wirksamkeit auch über Europa hinaus.

Deshalb streben wir eine Kooperation des EU ETS mit anderen Emissionshandelssystemen weltweit an, um die Wirkungsweite des Zertifikatehandels auszuweiten. Dieses „Linking“ soll die Kosten reduzieren und die Liquidität und Stabilität des Marktes verbessern. Außerdem demonstriert das Linking auch einen symbolischen Wert, indem es eine globale Anstrengung zur Reduzierung der CO2-Emmissionen veranschaulicht. Ein weiterer Vorteil des Linking wäre, dass die Möglichkeit einer „Carbon Leakage“, also der Verlagerung von Produktion und somit von CO2-Emissionen in das EU-Ausland, für Unternehmen verringert wird.

c) Energieeffizienz und wirtschaftliche Vernunft

Energieeffizienz hat für Freie Demokraten einen hohen Stellenwert. „Jede Kilowattstunde, die eingespart wird, verursacht keine Kosten, beansprucht keine Ressourcen und emittiert kein CO2.“ Es ist daher gut und im Blick auf künftig steigende Preise für CO2 auch ökonomisch vernünftig, in die Reduktion und Vermeidung von Treibhausgasemissionen zu investieren. Der Staat kann aber weder wissen noch soll er definieren, was für den Privatsektor jeweils vernünftig ist. „Private Haushalte, Immobilienbesitzer und Unternehmen müssen über ihre Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz frei entscheiden können.“ Hier können auch gemeinschaftliche Initiativen zur Energieeffizienz beitragen, die vermehrt gefördert und gefordert werden sollten, sei es im Bereich der energieeffizienten Gebäudedämmung, der Wärmeversorgung oder auch der Mobilität und Antriebstechnik.

d) Die öffentliche Hand in eine Vorbildrolle bringen

Treibhausgase emittierende Einrichtungen des Landes und der Kommunen (einschließlich solcher, an denen das Land und/oder Kommunen beteiligt ist) sollen verpflichtet werden, ab 2021 Berichte zu ihren Treibhausgasemissionen und Reduktionsmaßnahmen vorzulegen. Privatwirtschaftliche Unternehmen bestimmter Wirtschaftssektoren müssen bereits heute sehr umfangreiche nicht-finanzielle Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen. Die öffentlichen Hände müssen mit gutem Beispiel vorangehen, wenn Sie Unternehmen der Privatwirtschaft solche Vorgaben machen. Entsprechende Mittel sind hierfür bereitzustellen. Öffentliche Investitionen, die zukünftig vom EHS erfasst werden oder erfasst werden können, sollen nur getätigt werden, wenn sie über die Nutzungsphase trotz steigender EHS-Preise gerechtfertigt werden können. Auf diese Weise trägt die öffentliche Hand auch auf kommunaler Ebene dazu bei, dass das Emissionsvolumen insgesamt einerseits jährlich reduziert wird. Gleichzeitig werden Emissionen dort eingespart, wo es technisch möglich und wirtschaftlich attraktiv ist.

e) Klimaschutz technologieoffen erreichen

„Mit einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen, in dem der CO2-Preis als zentrale Steuergröße in allen Wirtschaftssektoren mit relevanten CO2-Emissionen wirkt, entstehen neue Impulse und Geschäftsmodelle.“ Diese muss man aber auch ermöglichen. Die Erlöse aus dem Emissionshandel sollen in die Entwicklung und Implementierung emissionsfreier Energien, einer Kohlenstoffkreislaufwirtschaft und andere Maßnahmen investiert werden, welche der Reduktion von Treibhausgasen dienen. Darüber hinaus vertrauen wir – wo immer möglich – auf die Innovationskraft der Marktwirtschaft und lehnen staatliche Vorgaben, welche Technologien zum Einsatz kommen sollen, grundsätzlich ab.

Neben der Reduzierung des CO2-Ausstoßes ist es auch möglich, Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre zu entziehen und somit die Konzentration zu senken. Das gewonnene CO2 kann entweder gespeichert oder verwendet werden (Carbon Capture and Utilization). Die Speicherung von CO2 als Feststoff mit vorhergehender chemischer Reaktion kann eine gängige Alternative zur Verringerung der CO2-Konzentration darstellen. Eine Speicherung ohne vorhergehende chemische Reaktion lehnen wir ab, da es keine nachhaltige Lösung darstellt und mit hohen Risiken verbunden ist. Die Freien Demokraten Hessen begrüßen das Recyceln von CO2. Das Carbon Capture Verfahren soll ebenso Teil des Zertifikatehandels werden. Als Freie Demokraten Hessen verstehen wir uns als fortschrittsfreundlich und technologieoffen. Deshalb treten wir für einen neuen und vor allem positiven Diskurs in der Debatte um Geo-Engineering ein. Hier wollen wir die Möglichkeiten, die sich uns bieten, wie zum Beispiel CO2- Abschneidungstechnologien als auch Methoden des Strahlungsmanagements weiter erforschen und wenn möglich testen. Auch organische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aufzucht von Algen, welche als Biomasse auch zur Energiegewinnung genutzt werden können, sind hier zu nennen.

f) Sich dem Klimawandel anpassen

Klimaschutz entsprechend dem Pariser Klimaabkommen hat für uns Priorität. Das Abkommen begrenzt die Klimaerwärmung aber nur. Es ist deshalb notwendig, sich auf eine Anpassung an unvermeidbare Klimaänderungen einzustellen. Wir fordern deshalb, mittel- und langfristige Anpassungsmaßnahmen für den öffentlichen Raum zu planen und für deren Realisierung Mittel in der Haushaltsplanung vorzusehen. Dazu gehört auch die Unterstützung geeigneter Maßnahmen im privaten Sektor. Dazu gehören beispielsweise die Schaffung von Versickerungsflächen und die Beschattung privater Gebäude und Flächen, um das Grundwasser zu erhalten und der Aufheizung städtischer Räume entgegenzuwirken. Eine weitere Komponente für einen effektiven Klimaschutz ist die Nutzung und Ausweitung organischer CO2-Speicher. Wir unterstützen ausdrücklich Maßnahmen zur Aufforstung sowie zum Schutz bestehender Wälder und Moore und wollen das Potential des Waldes und vor allem der Moore als natürlicher Speicher nutzen. Beispielsweise können in diesem Zusammenhang Flächen, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, in Wald oder vorzugsweise Moor umgewandelt werden. Auch müssen hessische Wälder substanzerhaltend bewirtschaftet werden.

Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind nicht ohne konkrete Ortskenntnis möglich und daher eine genuin kommunale Aufgabe.

Liberale Antworten auf klimapolitische Irrwege

a) Zukunft denken – jetzt handeln

Das Weltklima wird nicht nur in Hessen und nicht nur in Deutschland gerettet. Dies entbindet uns aber nicht von der Verantwortung als eine der größten Volkswirtschaften mit einer ambitionierten und gleichzeitig vernünftigen Klimapolitik voranzugehen. Insbesondere die junge Generation erwartet ein Politikkonzept, das Klimaschutz unter ausgewogener Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte wirksam erreichen kann. Eine Kultur des künstlich erzeugten schlechten Gewissens (Stichwort „Flugscham“) ist dafür nicht geeignet; sie nimmt eine Schwächung von Industrie und Wettbewerbsfähigkeit bewusst oder unbewusst in Kauf. Zukunftsfähig ist es dagegen, marktwirtschaftlich und technologieoffen wirtschaftliche Anreize in die Entwicklung und Realisierung einer emissionsarmen Wirtschaft zu setzen. Dieser Herausforderung müssen sich alle Bereiche der privaten und öffentlichen Wirtschaft stellen.

b) Kein Missbrauch der Klimapolitik

Manche Akteure der Klimapolitik missbrauchen das wichtige Anliegen für ihre Zwecke. Statt effiziente und zielgenaue Lösungen vorzuschlagen sprechen sie von einem Umbau der freiheitlichen, marktwirtschaftlichen Gesellschaften im Rahmen einer „großen Transformation“. Wie am Reisbrett werden hier Zukunftsszenarien von „Energiewende“, „Verkehrswende“, „Ernährungswende“, „Konsumwende“ und anderen Wenden formuliert. Solchen tendenziell zu Planwirtschaft neigenden Methoden stellen die Freien Demokraten eine zukunftsoffene Politik entgegen, die für die Zukunft vorsorgt, aber nicht behauptet, die Technologien und Lebensgewohnheiten der Menschen von Übermorgen definieren zu wollen.

c) Weniger Bürokratie und Planwirtschaft

Der Schutz des Klimas ist zu wichtig, um ihn bürokratisch und planwirtschaftlich anzugehen. Trotzdem dominieren derartige Strategien mit verheerenden Folgen: Die Kosten laufen aus dem Ruder, ohne dass es zu angemessenen Erfolgen kommt. Wir wissen jedoch auch, dass Umweltschutz seinen Preis hat, der nicht immer monetär zu quantifizieren ist. Ändern wir die Strategie zum Klimaschutzes in Richtung Marktwirtschaft unter ökologischen Rahmenbedingungen.

d) Technologieoffenheit Allen vorgeschlagenen Maßnahmen ist gemeinsam, dass wir auf Innovationskraft und Technologieoffenheit setzen, denn wir wissen nicht, welche Optionen uns Wissenschaft und Technologieentwicklung zukünftig eröffnen werden. Die Rahmenbedingungen sind deshalb so zu gestalten, dass Neuentwicklungen nicht gehemmt, sondern ihr Durchbruch im Interesse einer verbesserten ökonomischen und ökologischen Wettbewerbsfähigkeit gefördert wird. Zu den Rahmenbedingungen gehört staatlicherseits auch das Angebot einer öffentlichen Infrastruktur, die es unterschiedlichen Technologien erlaubt, sich in der Praxis entsprechend dem Bedarf der Bürger zu bewähren. Eine Begrenzung auf von Politikern ausgewählten Technologien lehnen wir ab.