Machen wir’s für Hessen
Wenn wir vergangenes Jahr im Dezember gefragt worden wären, was das Jahr 2022 für uns bereithält, wir hätten geantwortet: Es wird ein verspäteter Aufbruch in ein neues Jahrzehnt. Corona würde hinter uns liegen. Die Welt würde darauf warten, mit neuer Kraft zu erwachen. Heute wissen wir, dass es anders kam: Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Während wir uns sorgen, wie weit die Preise für Lebensmittel und Energie noch steigen, haben wir so lange wie möglich darauf verzichtet, die Heizung anzuschalten. Gleichzeitig scheinen Staat und Verwaltung überfordert, mit den Entwicklungen schrittzuhalten. Auch drohen wesentliche Teile der Infrastruktur unbrauchbar zu werden. Wir ertappen uns selbst bei der Frage, ob und wie lange wir und der Staat angesichts der globalen Krisen und Veränderungen noch leistungsfähig sind.
Wir sind dieser Entwicklung jedoch nicht chancenlos ausgeliefert: Auch in der Krise haben wir es in der Hand, mit den Veränderungen umzugehen, die rasant über uns hereingebrochen sind. Klar ist: Staat und Politik werden Veränderungen nicht allein aufhalten; sie müssen helfen, diese zu gestalten. Jeder einzelne hat es in der Hand, die aktuellen Herausforderungen anzunehmen und mit Selbstvertrauen durch die weiteren 2020er Jahre zu gehen. Außer dem Glauben an die Menschen in unserem Land sind hierfür strukturelle Veränderungen im Staat und in der Verwaltung notwendig. Um das Notwendige zu tun, schlagen wir folgende Kraftanstrengungen für einen Aufbruch vor: Sie sollen die Leistungsfähigkeit unseres Landes stärken und den Glauben der Menschen an sich selbst erneuern. Machen wir’s für Hessen.
Teuerungswelle brechen und Menschen entlasten
In allen Bereichen des täglichen Lebens beobachten wir sorgenvoll die steigenden Preise. Gleichzeitig sehen wir, wie sich das Land Hessen immer weiter verschuldet. Steigende Abgaben und Steuern lassen vom hart verdienten Einkommen kaum noch etwas übrig.
Inflation stoppen. Die Europäische Zentralbank hat durch ihre Niedrigzinspolitik und den Ankauf von Staatsschulden die Geldmenge derart ausgedehnt, dass uns heute nicht nur wegen der Energiepreise die Inflation davonläuft. Wir begrüßen den Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik und die Rückkehr zu einer normalen Geldpolitik. Diese Aufgabe muss vorrangige politische Priorität haben. Die Inflation erfordert eine Rückkehr zu soliden Haushalten und das Ende immer neuer Schulden. Denn hohe Defizite tragen zu den rasanten Preissteigerungen bei. Die Rückkehr zu guten, gesunden und nachhaltigen Staatsfinanzen ist durch die Inflationsentwicklung noch dringender, als sie es mit Blick auf die Generationengerechtigkeit ohnehin schon wäre. Dazu braucht es die Reduzierung sowohl von Defiziten, von schuldenfinanzierten Ausgaben als auch von Subventionen. Denn solide Finanzen sind die Grundlage für den Wohlstand von morgen.
Freihandel führt über ein breiteres Angebot und verstärkten Wettbewerb zu sinkenden Preisen. Deshalb setzen wir uns weitere Freihandelsabkommen ein.
Auf Kernaufgaben konzentrieren. Schulden sollen nur die Ausnahme sein. Die von den letzten Regierungen betriebene schuldenfinanzierte Konsumpolitik war doppelt schädlich. Unsere Infrastruktur ist immer noch in schlechtem Zustand und gleichzeitig wurden inflationäre Tendenzen befeuert. Angesichts der aktuellen Herausforderungen werden wir die staatlichen Ausgaben in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur lenken, einen dauerhaften Ausgabencheck einführen und die verfassungsmäßige Schuldenbremse einhalten.
Die Tüchtigen entlasten. Die Inflation trifft vor allem die Menschen, bei denen durch die hohe Inflation nach Steuern immer weniger übrigbleibt. Es ist ein Gebot der Fairness, sie zu entlasten, einen Inflationsausgleich sicherzustellen und Steuermehreinnahmen direkt dort zu belassen, wo sie hingehören – bei denen, die sie erwirtschaftet haben.
Eigentum darf kein Luxus werden. Steigende Mieten und anziehende Zinsen werden für die Mitte der Gesellschaft zur Bewährungsprobe. Wir werden das Problem jedoch nur in den Griff bekommen, wenn wir mehr und schneller bauen. Deshalb werden wir bürokratische Hürden reduzieren, die Neuausweisung von Bauland begünstigen und einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer in Höhe von 500.000 € für die erste selbstgenutzte Immobilie einführen.
Arbeitsplätze sichern, Gründerland werden und Bürokratie abbauen
Nicht nur in unseren Familien nehmen wir die Inflation wahr, sondern auch am Arbeitsplatz und in unseren Unternehmen. Egal ob selbstständig oder angestellt, ob Industrie oder Handwerk, Gesundheits- und Pflegebereich, Gastronomie oder Handel: In ganz Hessen spüren wir die Unsicherheit und Sorgen angesichts der explodierenden Energie- und Rohstoffpreise. Auf Bundesebene nehmen wir unsere Verantwortung ernst und haben bereits gewaltige Kraftanstrengungen unternommen, um die vielen kleinen und großen Betriebe zu unterstützen, durch diese Krise zu kommen.
Der wirtschaftliche Erfolg Hessens ist nicht in erster Linie eine Leistung der Politik, sondern das Resultat der Arbeit von Millionen Menschen, die jeden Tag ihren Beitrag leisten. Die Aufgabe der Politik ist es, für den Wirtschaftsstandort Hessen die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um Wohlstand aufzubauen. Hierbei sehen wir akute Problemfelder: erstens einen behäbigen Staat, zweitens die mangelhafte Besetzung von offenen Stellen und drittens die fehlende Offenheit für neue Unternehmen und Ideen.
Ein handlungsfähiger und effizienter Staat. Es hat sich erneut gezeigt, dass die öffentliche Verwaltung nicht länger mit der Geschwindigkeit der aktuellen Krisen und Veränderungen umgehen kann. Es braucht daher eine Verwaltungsreform mit dem Ziel, Prozesse nicht nur gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern digital abzubilden und anschließend analog weiterzubearbeiten, sondern sie auch in den Behörden selbst zu digitalisieren und zu verschlanken. Genehmigungsverfahren und Entscheidungsprozesse wollen wir beschleunigen. Wer in Zukunft mit dem Staat in Kontakt tritt, soll an einer zentralen Stelle alles erhalten, was er für sein persönliches Anliegen benötigt – auch digital. Neue Gesetze und Verordnungen sollten für einen Zeitraum von drei Jahren nur dann erlassen werden, wenn damit keine weitere bürokratische Belastung der Wirtschaft einhergeht. Durch schlanke Verwaltungsverfahren und die Reduzierung von Bürokratie im Sinne des One-in-two-out-Prinzips wollen wir die Handlungsfähigkeit des Staates stärken. Ebenso werden wir das Vergaberecht bürokratieärmer und digitaler machen.
Unsere Infrastruktur schützen. Unser Land, seine Menschen und Unternehmen sind angewiesen auf funktionierende Infrastrukturen. Sie sind der Schlüssel unseres Wohlstands. Nach Ende des Kalten Krieges haben wir der Sicherheit unserer Energie- und Wasserversorgung, Verkehrswege und Kommunikationsnetze zu wenig Beachtung geschenkt. Ein flächendeckender Stromausfall, ein stillstehendes Schienennetz oder der Ausfall des Mobilfunks sind ernstzunehmende Herausforderungen, auf die wir vorbereitet sein müssen. Gemeinsam mit den Infrastrukturträgern werden wir in einem „Masterplan Resilienz“ unsere Infrastruktur besser vor Naturkatastrophen und Sabotage schützen und unsere IT-Systeme stärker gegen Cyber-Angriffe wappnen.
Fachkräfte ausbilden und gewinnen. Eine Fachkräftegewinnung nach kanadischem Punktesystem, wie sie in der Bundesregierung verabredet ist, ist der erste Schritt zur Linderung des Fachkräftemangels. Wir wollen die hessischen Kommunen bei der administrativen Bewältigung der Zuwanderung unterstützen und die kommunalen Ausländerbehörden entlasten, indem wir eine zentrale Ausländerbehörde für Fachkräftezuwanderung einrichten. Um die offenen Stellen besetzen zu können, müssen wir jedoch auch endlich unsere wichtigste Ressource nutzen – die Köpfe und Begeisterung der Menschen. Wir werden daher die berufliche Bildung stärken und Hürden auf dem Weg dorthin abbauen. Es kommt für uns auf das Talent einer jeden einzelnen Person an und nicht auf ihren Lebensweg. Unnötige Hürden bei Anerkennung und Zugang zu den Ausbildungsberufen wollen wir reduzieren. Digitale und hybride Formate müssen auch in der beruflichen Bildung ermöglicht werden. Lange Wege wollen wir reduzieren und vor Ort Berufsschulen erhalten. Wenn eine Anreise doch mal notwendig ist, wollen wir Unterbringungs- und Fahrtkosten für Auszubildende bei Blockunterricht übernehmen.
Neue Ideen willkommen heißen. Eine Willkommenskultur für neue Ideen lässt uns aus der Krise herauswachsen und sichert den Wohlstand von morgen. Hessen ist ein innovatives Land mit den besten Voraussetzungen. Was fehlt, ist die passende Politik. Wir wollen Potentiale entfesseln und Hessen wirtschaftspolitisch zum Gründerland Nummer eins machen. Dafür wollen wir Existenzgründungen erleichtern, Bürokratie abbauen und mit der landeseigenen Wirtschafts- und Infrastrukturbank auch Unternehmensnachfolgen bei der Finanzierung unterstützen. Wir bekennen uns zum Frankfurter Flughafen – Hessens Tor zur Welt – und den Ausbauprojekten wie dem Terminal 3. Neben vielen weiteren Clustern wollen wir gezielt auch Fintech-Startups nach Hessen bringen. Hierzu schlagen wir zum Beispiel die Gründung eines Fintech-Quartiers 2.0 oder die Ausrichtung eines „German Fintech Festival“ nach dem Vorbild des „Singapore Fintech Festival“ vor. Ebenso wollen wir die Ansiedlung neuer europäischer Institutionen wie der Anti-Geldwäschebehörde (AMLA) unterstützen. Dazu ist es unerlässlich, dass wir Hand in Hand mit den Kommunen und dem Bund arbeiten, um den Standort Hessen international attraktiv zu machen. Neue Ideen willkommen heißen bedeutet auch, die Messe Frankfurt zu stärken und die IAA als Leitmesse der Automobilbranche zurück nach Hessen zu holen. Hierzu werden wir Investitionen in die digitale Infrastruktur der Frankfurter Messe vornehmen.
Machen wir Hessen zum Bildungsland Nummer eins
Unsere Kinder sind unsere Zukunft – ihre Bildung ist die wichtigste Ressource in unserem Land. Eltern und Lehrkräfte sorgen sich über die Rückstände, die ihre Kinder durch den Schulausfall in der Corona-Zeit erlitten haben und bemühen sich, das Verpasste aufzuholen. Die Angebote des Landes schaffen es nicht, die Schülerinnen und Schüler dort abzuholen, wo sie mit ihren individuellen Fähigkeiten, Talenten und Interessen stehen. Dabei ist der Spracherwerb die Grundlage für alles Weitere. Gleichzeitig fehlen immer mehr Lehrkräfte.
Auch in Zukunft soll jedes Kind seine Zukunft selbst in der Hand haben und mit Fleiß, Talent und Begeisterung die Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben legen. Daher wollen wir das Lernen individualisieren. Hierzu schlagen wir vor:
Personalisierte Bildung. Von der Kita bis zur Oberstufe müssen Hessens Bildungseinrichtungen so vielfältig werden, wie seine Kinder es sind. In jedem von ihnen schlummern unterschiedliche Talente, die wir allesamt fördern wollen. Damit das gelingt, bedarf es moderner Konzepte, MINT-Förderprogramme und der Nutzung digitaler Bildungsangebote zur personalisierten Förderung eines jeden einzelnen. Nur so werden Chancengerechtigkeit und Selbstverwirklichung Realität.
Selbstständige Schule. Als Liberale vertrauen wir den handelnden Bildungsexpertinnen und -experten, den Lehrkräften und Schulleitungen vor Ort. Wir wollen das Erfolgsprogramm „Selbständige Schule“ daher ausbauen und weiterentwickeln, hin zu mehr Flexibilität. Damit werden unsere Talentschmieden von bürokratischen Vorgaben und Berichtspflichten entlastet. Wir wollen die Schulen bei der IT-Ausstattung und Administration unterstützen.
Lehrkräfte stärken. Entscheidend für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler sind die hessischen Lehrkräfte. Dem Lehrkräftemangel wollen wir durch ein umfassendes Maßnahmenprogramm entgegentreten. Hierzu zählen insbesondere die zukunftsfähige Aufstellung des Lehramtsstudiums mit Erhöhung der Regelstudienzeit für Grundschullehrkräfte, zeitgemäße Weiterbildungsangebote und vielfältigere Möglichkeiten des Quereinstiegs. Da jeder Abschnitt des Bildungswegs gleichermaßen bedeutsam ist, wollen wir unter anderem auch die Besoldung der Grundschullehrkräfte anheben.
Corona-Lücken schließen, Talente entdecken, Neugier wecken:
Wir machen uns für mehr Ferienprogramme, angepasst an alle Altersstufen, mit Unterstützung von Industrie, Handwerk, Privatwirtschaft und Ehrenamt stark. Ganz gleich, ob Forscher-, Sport-, Motivations-, MINT-, Webdesign- oder Sprachcamp, wir sehen dies als Möglichkeit, entstandene Lücken zu schließen.
Kultur und lebenslanges Lernen. Weiterbildung und persönliche Entfaltung enden für uns nicht an der Schultür. Daher werden wir uns für die Ermöglichung und den Ausbau lebenslangen Lernens einsetzen. Hierzu gehört für uns auch der Bereich der Kunst und Kultur. Kulturschaffende wurden in den vergangenen Jahren häufig nicht oder zu spät von der Politik berücksichtigt. Wir wollen wegkommen von der Verteilung von Projektmitteln hin zu einer dauerhaften Finanzierung. Hierzu schlagen wir ein Kulturfördergesetz vor, mit dem wir die Finanzierung der Einrichtungen auf eine transparente und nachhaltige Grundlage stellen. Zudem werden wir den niedrigschwelligen Zugang zu Kultureinrichtungen stärken. Künftig sollen beispielsweise die Bibliotheken vollständig auf Gebühren verzichten.
Staus beenden – Pünktlichkeit und Verlässlichkeit auf Straßen und Schienen
Wer auf das Auto für seinen Weg zur Arbeit angewiesen ist, der leidet täglich unter den anziehenden Energiekosten und steht in der Stadt sowie auf der Autobahn im Stau. Wer mit der Bahn pendelt, ärgert sich jeden Morgen über Ausfälle und Verspätungen. Hessen hat in den vergangenen Jahren den Anschluss in der Mobilität verpasst. Der Wertverzehr ist größer als die Investitionen in den Landesstraßenbau. Das Land hat es in der Hand, dass die Menschen in Hessen wieder schnell und unproblematisch von A nach B kommen. Daher braucht es große Anstrengung beim Ausbau von Straße, Schiene und weiteren innovativen ÖPNV-Angeboten und einer intelligenten Vernetzung der Verkehrsträger, die sich am Bedarf der Kundinnen und Kunden orientieren.
200 Millionen Euro für Investitionen in Landstraßen. Damit unsere Straßen nicht weiter verfallen, braucht es ein jährliches Budget von 200 Millionen Euro. Straßen und Autobahnen müssen ausgebaut werden. Daher wollen wir mit aller Kraft den Lückenschluss der A 49 sowie der A 66 (Riederwaldtunnel) und den Weiterbau der A 44 vorantreiben.
Mit Schieneninfrastrukturgesellschaft die Bahn wieder auf Spur bringen. Wer täglich auf die Bahn angewiesen ist, kennt die ständigen Durchsagen: Gleissperrung, langsamer vorausfahrender Zug und Verspätung. Unser Schienennetz ist ebenso überaltert wie überlastet. Was es hierfür braucht, ist mehr Tempo beim Ausbau. Wir begrüßen daher die Initiative von Bundesverkehrsminister Volker Wissing zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hierfür können wir aus der Krise lernen und die Eilverfahren für den Bau der LNG-Terminals als Blaupause verwenden. Auf Landesebene wollen wir durch Gründung einer Schieneninfrastrukturgesellschaft die einzelnen Ausbauvorhaben mit Projektgesellschaften schneller voranbringen.
Verkehrsverbünde stärken. Die Verkehrsverbünde bringen Millionen von Pendlerinnen und Pendlern täglich zur Arbeit und abends zurück nach Hause. Angesichts der steigenden Spritpreise sind mehr Menschen auf den ÖPNV angewiesen als zuvor. Sie verlangen einen funktionierenden und pünktlichen ÖPNV. Vor diesem Hintergrund darf sich das Land nicht weiter aus der Verantwortung stehlen. Geld muss dort ankommen, wo es vor Ort gebraucht wird. Durch die Einführung des Deutschland-Tickets haben wir die Pendler entlastet. Das Land muss durch eine Co-Finanzierung nun seinen Beitrag leisten. Um den ÖPNV attraktiv zu machen, muss das Land zudem dauerhafte Investitionen in die Verkehrsverbünde sicherstellen. Zu einem erfolgreichen ÖPNV gehört für uns der bequeme Wechsel von einem Verkehrsmittel zum anderen (Intermodalität und Multimodalität). Daher werden wir Mobilitätsstationen einrichten, Radwege ausbauen und die Verantwortlichkeit für Radschnellwege auf die Landesebene übertragen.