Zukunftschancen des Finanzplatzes Frankfurt – Agenda zur Stärkung des Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb

Für uns Freie Demokraten steht die Förderung des Finanzplatzes Frankfurt mit
seiner hohen Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte im
Mittelpunkt einer erfolgreichen Strategie, die deutsche Finanzindustrie nachhaltig
zu stärken. Wir fordern von der Bundesregierung ein Bekenntnis zur
Finanzwirtschaft, die mit rund 600.000 Beschäftigten eine Schlüsselindustrie
unserer Volkswirtschaft darstellt. Die Vielfalt im Finanzsystem gilt es zu erhalten
bzw. zu stärken: Allein am Finanzplatz Frankfurt arbeiten ca. 70.000 Beschäftigte
bei über 300 Banken. Hinzu kommen noch einmal ca. 100.000 Beschäftigte, die
für Versicherungen, Finanzdienstleister sowie Unternehmen im Umfeld der
Finanzbranche tätig sind. Neben den etablierten Finanzdienstleistern gewinnt der
Finanzplatz auch bei neuen technologieaffinen Unternehmen der Finanzbranche,
die regelmäßig unter dem Begriff „FinTechs“ oder „InsurTechs“ zusammengefasst
werden, an Bedeutung. Diese Unternehmen brechen oftmals die
Wertschöpfungsketten der etablierten Finanzinstitute auf und bieten innovative
Produkte und Dienstleistungen an. Die FDP fordert, gerade auch durch die
Förderung dieser Unternehmen, den Ausbau des Finanzplatzes Frankfurt zu
stärken.

Die Freien Demokraten bedauern, dass durch den Brexit ein marktwirtschaftlich
orientiertes Partnerland aus der EU austritt. Dennoch gilt es, die damit
einhergehenden Veränderungen für den Standort Deutschland optimal zu
nutzen.

8 Maßnahmen zur Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt

1. Bündelung der Kräfte in Deutschland

Die nationalen und lokalen Kräfte müssen zukünftig besser zusammengeführt
und koordiniert werden. Dazu gehört auch, die vorhandenen Einrichtungen, die
am Finanzplatz Frankfurt existieren, zielgerichteter einzusetzen. Die Bedeutung
dieser Aufgabe hat sich bei der gegen Frankfurt gefallenen Entscheidung über
die Ansiedlung der Europäischen Bankenaufsicht EBA (European Banking
Authority) besonders deutlich gezeigt. Die hessischen und deutschen
Anstrengungen waren offensichtlich nicht ausreichend. Maßnahmen, die diese
Bündelung unterstützen sind:

Die Stabstelle „Finanzplatz Frankfurt“ im Hessischen Wirtschaftsministerium
muss in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) zur
Koordination der Interessen ausgebaut werden. Der Bundesfinanzminister und
der hessische Ministerpräsident sollten die permanente Schirmherrschaft
übernehmen.

Der Finanzplatz muss dauerhaft durch eine gemeinsame Plattform von Politik,
Wissenschaft und Finanzindustrie gestärkt werden. Die Bundesregierung muss
sich über eine Beteiligung des Bundes, vertreten durch das BMF, aktiv
einbringen.

Auf Delegationsreisen mit Wirtschaftsbeteiligung soll eine kontinuierliche
Positionierung des führenden deutschen Finanzplatzes Frankfurt am Main als wichtigstes Finanzzentrum der EU erfolgen. Die Mitglieder der
Bundesregierung sollen im Rahmen ihrer internationalen Gespräche und
Auslandsbesuche daher regelmäßig finanzwirtschaftliche Themen aufnehmen
und die Standortvorteile des Finanzplatzes Frankfurt hervorheben.

2. Bankenregulierung und Bankenaufsicht – Stabilität und faire
Wettbewerbsbedingungen

Für einen starken Finanzplatz ist ein stabiles Finanzsystem unerlässlich. Die
Bundesregierung muss deshalb die Balance zwischen Regulierung, Freiraum für
Innovationen und gleichen Wettbewerbsbedingungen in der Finanzindustrie im
Blick behalten. Bei der Ausgestaltung der Banken-Regulierung ist den
spezifischen Interessen der deutschen Kreditwirtschaft und des Finanzplatzes
Frankfurt Rechnung zu tragen und darauf zu achten, dass mindestens im
EU-Kontext gleiche Wettbewerbsbedingungen sichergestellt werden.

In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, Bestrebungen zur Einführung
einer Finanztransaktionssteuer zu beenden. Die Einführung einer solchen Steuer
verursacht vermeidbare Kosten, die letztlich die Realwirtschaft zu tragen hat, und
behindert die Effizienz des Finanzsystems sowie das Risikomanagement der
einzelnen Finanzmarktakteure, wodurch sie schließlich die Stabilität des
Finanzsystems bedroht.

Auch die Struktur des deutschen Bankensystems, das auf drei Säulen aus
privaten Banken, öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken sowie den
genossenschaftlichen Instituten beruht, gilt es hinreichend zu würdigen.
Insbesondere kleinere Institute bilden dabei eine wichtige Stütze des deutschen
Mittelstands im Speziellen und der Realwirtschaft im Allgemeinen. Allerdings sind
kleinere Institute oftmals in besonderem Maße von den direkten und indirekten
Kosten der Regulierung (u.a, Kostenumlagen der Aufsicht, Personal- und
IT-Kosten, Beratungskosten) betroffen. Die FDP fordert daher administrative
Erleichterungen für solche Finanzinstitute (Proportionalität).

Bankenunion: Die Bankenkrise hat gezeigt, dass Entscheidungen und
wirtschaftliche Verantwortung nicht getrennt werden dürfen. Mit der einheitlichen Bankenaufsicht (SSM), dem Abwicklungsmechanismus (SRM) und dem Abwicklungsfonds (SRF) wurden richtige Schritte gegangen, um zu verhindern, dass Steuerzahler für Finanzinstitute haften. Dieses Prinzip gilt es
auch mit Blick auf die dritte Säule der Bankenunion, einer europäischen
Einlagensicherung (EDIS), die wir entschieden ablehnen.

Bankenaufsicht: Durch eine starke und kompetente Aufsicht muss sichergestellt
werden, dass die europäischen Bankenregeln (Umsetzung von Basel III) nicht
durch Nutzung von Konsolidierungsregeln und Umgehungstatbeständen genau
dort verletzt werden, wo die tatsächlichen Risiken und ein angemessenes
Haftungskapital gegenüberzustellen sind. Dementsprechend wurde die direkte
Aufsicht über die bedeutendsten Institute des Euro-Raums der EZB übertragen,
die sie seit Herbst 2014 wahrnimmt. Durch die Ansiedlung der Bankenaufsicht
bei der EZB ist ein Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht
vorprogrammiert, der die Unabhängigkeit der EZB unterminiert. Die FDP fordert
die Ausgliederung der Bankenaufsicht der systemrelevanten Banken in eine
eigenständige europäische Behörde am Finanzplatz Frankfurt.

Wettbewerb und Regulierung: Banken und andere Finanzdienstleister müssen
wie jedes andere Unternehmen abwickelbar sein, wenn sie im Wettbewerb nicht
bestehen oder sich durch wirtschaftliche Fehlentscheidungen der
Existenzgrundlage beraubt haben. Daher lehnen wir eine dauerhafte oder
systemimmanente Belastung des Steuerzahlers durch die Rettung bzw. Stützung
von Finanzinstituten ab. Die FDP erkennt die Fortschritte an, die in den letzten
Jahren durch zusätzliche Kapitalanforderungen an systemrelevante Institute und
die europäischen Regelungen zur Sanierung und Abwicklung von Banken erzielt
wurden. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Regeln auch konsequent in allen
EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Die FDP tritt daher dafür ein, das
bestehende Regelwerk durch Streichung vorhandener Ausnahmetatbestände, die zu einer Erhöhung des Risikos für die Finanzstabilität führen,  zu
stärken. Die FDP unterstützt daher neben den bereits umgesetzten Regelungen
als wichtiges Element effektive Risikopuffer und Risikomanagementsysteme für
alle Marktteilnehmer, einschließlich der Handelssysteme. Dazu gehören
transparente Abläufe und Risiken, klare Verantwortlichkeiten, Haftungsregeln und
eine effektive Kontrolle. Gleichzeitig gilt es, die Regulierung mit Blick auf die bürokratischen Anforderungen so anzupassen, dass sie kleine und mittlere Institute nicht überbelastet. Ziel muss es sein, die Regulierung so zu gestalten, dass sie nicht wettbewerbsverzerrend ist.

Schattenbanken regulieren und beaufsichtigen: Sogenannte Schattenbanken
sind in ihren Geschäften und Funktionsweisen ähnlich dem regulären
Bankensystem. Es handelt sich dabei z.B. um Hedge Fonds, Investmentfonds
oder Zweckgesellschaften von Kreditinstituten, aber auch Versicherungen.
Schattenbanken machen unser Finanzsystem effizienter, können aber auch
Risiken bergen. Die FDP unterstützt Maßnahmen zur Erfassung ihrer Geschäfte,
um in einem ersten Schritt die notwendige Transparenz über etwaige Risiken
herzustellen. In einem zweiten Schritt sind Maßnahmen zur risiko-adäquaten
Regulierung dieses Bereiches für genau definierte Schattenbanken zu prüfen.

Risikogewichtung: Die noch immer starke Verflechtung zwischen nationalen
Banken und ihrem jeweiligen Heimatstaat muss durchbrochen werden. Die
Bewertung von Staatsschulden mit einer Risikogewichtung von Null in der
aktuellen Banken- und Versicherungsregulierung (Basel III und Solvency II),
ungeachtet der tatsächlichen Risiken, führt dazu, dass durch die verzerrte
Bewertung staatliche Schuldner mit verbilligten Krediten versorgt werden. In der
Konsequenz fehlt ein wichtiger Anreiz für notwendige Strukturreformen.
Investoren werden verleitet, in schlechtere Anlagen mit tatsächlich höherem
Risiko zu investieren. Schließlich hat dies maßgeblich zur Entstehung der
europäischen Staatsschuldenkrise beigetragen. Daher sollten zukünftig für
Staatsschulden Eigenkapitalanforderungen gelten, die das tatsächliche Risiko
widerspiegeln. Zudem sollte eine Obergrenze für Staatsschulden, die eine Bank
aus einem Land halten darf, eingeführt werden, wie dies für nichtstaatliche
Schuldner bereits selbstverständlich ist.

Kontinuierliche Evaluation der bestehenden Regulierung: Die Umsetzung der
regulatorischen Vorgaben war für die Finanzwirtschaft das dominierende Thema
der letzten Jahre – und wird es auf absehbare Zeit auch noch bleiben. Der
Umgang mit den globalen Standards für die Bankenaufsicht, die der Basler
Ausschuss für Bankenaufsicht formuliert hat, entscheidet über
Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität des Finanzsektors. Die Durchführung einer
umfassenden, kritischen Analyse (Impact Study) der Auswirkungen neuer
Regulierungen auf die Finanzwirtschaft ist daher erforderlich, um die Ergebnisse
der Umsetzung der Regulierungsvorgaben zu bewerten und den Kurs für die
zukünftige Regulierung mitzubestimmen. Der Finanzplatz Frankfurt als
Kompetenzzentrum für Risikomanagement und Regulierung (u.a. den
Hochschulen, dem LOEWE-Forschungszentrum SAFE und FIRM) sollte diesen
Analyseprozess aktiv begleiten. Die FDP tritt daher dafür ein, entsprechende
Forschung und wissenschaftliche Expertise verstärkt zu fördern.

3. Verlagerung des Euro-Clearings nach Frankfurt

Der Brexit eröffnet neue strategische Optionen innerhalb der EU, insbesondere
auch im Rahmen einer möglichen Verlagerung des Euro-Clearings nach
Frankfurt. Die FDP befürwortet auch nach dem Brexit eine enge
Zusammenarbeit der EU und des Vereinigten Königreichs in allen
Finanzmarktangelegenheiten.

Angesichts der erheblichen Bedeutung des Euro-Clearings für die Stabilität des
EU-Finanzsystems sehen wir bei seinem Verbleib in London gleichwohl die
Notwendigkeit, den EU-Aufsichtsbehörden weitreichende Aufsichtsbefugnisse
gegenüber zentralen Gegenparteien (Central Counterparts) außerhalb der EU
einzuräumen. In letzter Konsequenz muss es möglich sein, das Clearing
Euro-denominierter Produkte zu untersagen, wenn es bei einer zentralen
Gegenpartei zu erheblichen negativen Abweichungen bei
EU-Regulierungsstandards kommt. In diesem Fall wird sich die FDP dafür
einsetzen, diese Geschäfte am Finanzplatz Frankfurt durchzuführen.

4. Attraktive Weiterentwicklung der Infrastruktur

Auch unabhängig vom Brexit gilt es, Standortentscheidungen von Institutionen,
Unternehmen oder Arbeitnehmern für Frankfurt zu befördern. Aktuell haben eine
Reihe von Finanzinstituten als Reaktion auf den absehbaren Austritt des
Vereinigten Königreichs aus der EU bereits angekündigt, ihre Geschäfte nach
Frankfurt zu verlagern oder in Frankfurt auszuweiten. Die FDP sieht hierin eine
große Chance, die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt nachhaltig zu stärken.

§ Wir fordern die Landes- und Bundesregierung auf, sich gemeinsam ihren
Aufgaben der Wirtschaftsförderung zuzuwenden und ihre Anstrengungen zu
erhöhen (Roadshows, Marketing, TechQuartier, u.a.). Hierfür bedarf es einer systematischen Vermarktung und Steuerung der Aktivitäten aller
Stakeholder.

§ Die Angebotsausweitung sowohl des bezahlbaren als auch des gehobenen Wohnraums bis hin zu entsprechenden Büroflächen sind als Anstrengung des
gesamten Rhein-Main-Gebiets zu begreifen.

§ Mit Blick auf die Universitäten und den Forschungsstandort Frankfurt ist die
gute Positionierung sowohl der Liegenschaften (Ansiedlung auf dem neuen
Campus-Geländen) als auch thematisch (z.B. Risk Management,
Finanzmarktregulierung, u.v.m.) auszubauen, um international führend zu
werden.

§ Der Ausbau der für die Ansiedlung wichtigen Standortfaktoren wie internationale Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten sowie
Kinderhorte aber auch kulturelle Einrichtungen sind voranzutreiben.

§ Ausnahmen vom deutschen Kündigungsschutzrecht und vom
Einkommensteuerrecht für Mitarbeiter, die nach Frankfurt kommen, lehnt die
FDP ab.

§ Schnelles Internet ist die Voraussetzung, dass Digitalisierung stattfinden
kann. Gerade im Finanzbereich spielt Geschwindigkeit eine herausragende Rolle.
Daher fordern die Freien Demokraten den konsequenten und unverzüglichen
Ausbau von Glasfaseranschlüssen. Zudem muss Deutschland eine Vorreiterrolle
bei der 5G-Technologie einnehmen.

5. Finanztransaktionssteuer

Die Befürworter hoffen, mit einer Finanztransaktionssteuer eine Vielzahl teilweise
widersprüchlicher Ziele zu erreichen. So soll die Transparenz der Finanzmärkte
erhöht, die Stabilität des Finanzsystems gestärkt werden und der Finanzsektor
als (Mit-)Verursacher einer Krise einen Beitrag zu den Kosten leisten. Zu guter
Letzt erhofft man sich hohe Steuereinnahmen.

Die Finanztransaktionssteuer würde die Transaktionskosten an den jeweiligen
Finanzplätzen erhöhen. Damit sähen sich insbesondere kleinere und mittlere
Betriebe höheren Kosten gegenüber, da die durch die Steuer erhöhten
Transaktionskosten absehbar an die Kunden weitergegeben werden. Dies würde
letztlich auch dazu führen, dass der gewünschte Beitrag zur Krisenbewältigung
nicht von den Verursachern der Finanzkrise geleistet, sondern auf die
Realwirtschaft abgewälzt würde. Auch Sparer und Personen, die fürs Alter
vorsorgen, würden erheblich stärker belastet. Die Steuer wäre zudem leicht zu
umgehen, da im Zeitalter von international zugänglichen Finanzmärkten,
Transaktionen an Finanzplätze ohne eine Finanztransaktionssteuer umgeleitet
werden könnten. Damit würden sie in intransparente Märkte abwandern und zu
einer erhöhten Instabilität des Finanzsystems führen, nicht zuletzt, weil auch das
Risikomanagement der Finanzmarktakteure behindert würde. Die
Finanztransaktionssteuer würde die Reformen der letzten Jahre konterkarieren.
Zudem wäre damit zu rechnen, dass durch massive Abwanderung ein hoher
Umsatz, und damit auch viele Jobs am Finanzplatz verloren gingen. In der
Summe dürften die Steuereinnahmen deutlich niedriger liegen als ohne
Finanztransaktionssteuer.

Die Finanztransaktionssteuer schadet dem Finanzplatz Frankfurt nachhaltig, ohne
auch nur eines der beschriebenen Ziele zu erreichen. Anstatt dem Finanzsektor
erhebliche Mittel durch diese Sondersteuern zu entziehen, sollte deutlich mehr
unternommen werden, nationale und internationale Kapitalflüsse an den
Finanzplatz umzuleiten. Die FDP lehnt deshalb die Einführung einer
Finanztransaktionssteuer ab.

6. Neue Risiken erkennen

Die nächste Krise kann aus ganz anderen Gründen entstehen. Sowohl die Staatsverschuldung als auch die private Verschuldung sind in den zehn Jahren nach der Lehman-Pleite und der sich anschließenden Finanzmarktkrise stark gestiegen. Wie schnell die Verschuldung in eine Krise münden kann, zeigt aktuell das Beispiel der Türkei. Der neue Trend zum passiven Anlegen, z.B. durch Indexfonds, kann Marktbewegungen verstärken. Die Gefahr von Cyberattacken hat deutlich zugenommen. Die EZB hat in einem ersten Schritt reagiert und lässt sich schwere Attacken von großen Banken melden. In Deutschland müssen Attacken dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik angezeigt werden. Politische Risiken sind heute eine der größten Risiken, allen voran die Gefahr von Handelskrisen. Eine stabile Wirtschaft gedeiht nur in stabilen politischen Verhältnissen. Die langanhaltende Niedrigzinsphase hat die Märkte lange Zeit in falscher Ruhe gewogen und die Anleihe- und Aktienpreise künstlich verteuert. Auf der Jahrestagung des IWF auf Bali im Oktober 2018 wurde die Zinswende als eines der größten Risiken für die globale Finanzstabilität bezeichnet. Mit der Anerkennung von makroprudentiellen Risiken für die Finanzstabilität ist auch hier ein Schritt in die richtige Richtung gegangen worden. Sie lenkt den Blick über die Aufsicht über das einzelne Institut hinaus. Dieser Weg muss weiter beschritten werden.

7. War for Talents

Der Finanzplatz und dabei auch gerade die sich entwickelnde Branche der
Fintechs leidet schon heute unter einem Mangel an Fachkräften mit technischen
und mathematischen Fähigkeiten. Die mangelnde Attraktivität hat zwei wichtige
Ursachen: die Belastung der Einkommen mit Steuern und Abgaben ist
vergleichsweise hoch. Darüber hinaus werden zu wenige Nachwuchskräfte in
den sogenannten MINT-Fächern ausgebildet.

Deutschland hat im international Vergleich hohe Arbeitskosten und nach
Belgien die höchste Steuer- und Abgabenbelastung aller OECD-Länder. Wenn
der Finanzplatz Frankfurt an Attraktivität gegenüber anderen internationalen
Finanzplätzen gewinnen soll, braucht Deutschland eine Trendwende bei den
Steuerbelastungen. Wir müssen unsere Bürger entlasten, um auch für
Arbeitnehmer, die derzeit in anderen Ländern tätig sind, als Einwanderungsland
attraktiv zu werden. Der Wettbewerb um die klügsten Köpfe dieser Welt wird
auch mit dem Thema Abgabenbelastung gewonnen oder eben verloren.

Bildung ist der Schlüssel, um Wohlstand für alle zu schaffen. Wir Freie
Demokraten fordern die Einführung des Schulfachs Wirtschaft und Finanzen.
Damit sollen junge Menschen auch über finanzielle Themen aufgeklärt und für
ebendiese begeistert werden. Darüber hinaus sind verstärkte Anstrengungen zu
unternehmen, junge Menschen schon früh an MINT-Fächer und Informatik heranzuführen.

Wir treten dafür ein, die in Frankfurt ansässigen Hochschulen zu stärken. Dort
hat sich in den letzten Jahren eine international renommierte Kompetenz im
Feld der finanzwirtschaftlichen Expertise entwickelt. Eine reine Erhöhung der
Studentenzahlen ohne die notwendigen Ressourcen macht die Erfolge der
letzten Jahre zunichte. Um international mithalten zu können, müssen hier
weitere Anstrengungen unternommen werden, damit die Wissenschaftler sowohl
ihrem Forschungs- und Lehrauftrag gerecht werden zu können.

8. Ökosystem für Start-ups bzw. FinTechs

Der Finanzplatz Frankfurt verfügt über hervorragende Voraussetzungen, um
dienstleistungsorientierte FinTechs anzuziehen. Mit dem TechQuartier ist
erfolgreich die zentrale Plattform etabliert worden, um die relevanten Kräfte des
Landes Hessen, der Stadt Frankfurt, der Goethe-Universität und der
Finanzindustrie zu bündeln. In Kombination mit der Infrastruktur der Banken (u.a.
Daten, Netzwerke, Rechenzentren) können hier hervorragende
Entwicklungsbedingungen geschaffen werden. Entsprechend ist das TechQuartier
weiter auszubauen und die Governance weiter zu optimieren. Hinsichtlich des
Lebens- und Arbeitsumfelds für Gründer sind die oben beschriebenen
Maßnahmen zur Infrastrukturverbesserung entsprechend dieser Zielgruppe
anzupassen. Darüber hinaus müssen Landes- und Bundesregierung folgende
Herausforderungen in Angriff nehmen:

§ Private Wagniskapitalgeber nehmen Hauptrolle bei der Finanzierung
innovativer Geschäftsideen ein: In den USA wird – gemessen an der
Wirtschaftskraft – zehnmal so viel Wagniskapital bereitgestellt wie in
Deutschland; in Israel wird das 20-fache investiert – jedes Jahr. Diese Zahlen
sprechen eine Sprache: Deutschland riskiert den Anschluss bei innovativen
Produkten zu verlieren. Die Politik muss steuerliche Anreize sowie einen
angemessenen regulatorischen Rahmen für Wagniskapitalgeber schaffen.
Banken fallen dabei – nicht zuletzt auch wegen regulatorischer Anforderungen –
hier oftmals als Kreditgeber in den so wichtigen frühen Finanzierungsphasen von
Start-ups aus. Neben der Bereitstellung von genügend Wagniskapital für
FinTech, aber auch anderen High-Tech-Branchen, kann Frankfurt zu einem Hub
für Wagniskapitalgeber werden. Mit den entsprechenden Rahmenbedingungen
stärkt dies die Clusterbildung am Finanzplatz und schafft zugleich Chancen für
andere Branchen im Rhein-Main-Gebiet.

§ Schaffung von mehr Finanzierungsmöglichkeiten und Anreizen: Der
Standort Deutschland gilt als unterfinanziert und verfügt über vergleichsweise
wenig große Inkubatoren und Akzeleratoren. Die strukturierte Zusammenarbeit
zwischen Start-ups, dem privaten Sektor und der öffentlichen Hand hat enormes
Verbesserungspotential. So würde beispielsweise eine Erleichterung des
Zugangs zum Start-up-Markt für institutionelle Anleger durch Anpassungen im
Kapitalanlagegesetz und weiteren Regulierungsvorschriften unterstützend wirken.
In Zeiten des demografischen Wandels und des historischen Zinstiefs könnte
eine „win-win“-Situation für Start-up-Unternehmen, institutionelle Anleger und
deren Kunden entstehen.

§ Steigerung der Attraktivität des Besteuerungssystems für Start-ups und
Investoren: Die Steuergesetzgebung für Kapitalgesellschaften in Deutschland
bringt einen hohen administrativen Aufwand mit sich. Gerade die verhältnismäßig
vielen Einzelregelungen stellen für junge Unternehmen Hürden dar. Das
deutsche Steuersystem sieht keine Sonderbehandlung für Start-ups vor. Dies
erschwert die Gründung und schnelles Wachstum. Wesentliche Maßnahmen
wären: die Verdopplung des Freibetrags bei der Gewerbesteuer in den ersten
drei Jahren nach Gründung, eine transparente Besteuerung für
Venture-Capital-Gesellschaften, eine faire Besteuerung von Investoren, die sich
von ihrer Beteiligung trennen, ein Ende der (steuerlichen) Diskriminierung von
Eigenkapital gegenüber Fremdkapital, die Einführung des vollständigen
sofortigen Verlustabzugs für Verluste aus Kapitaleinlagen in Start-ups analog zu
den Regelungen im Vereinigten Königreich, die Ausweitung der
Nutzungsmöglichkeit von steuerlichen Verlustvorträgen durch Fortbestand von
Verlustvorträgen bei Unternehmenstransaktionen und Steuererleichterungen für
Aufwendungen für Forschung und Entwicklung.

§ Bürokratieabbau für Start-ups: In Bezug auf behördliche Aspekte liegt
Deutschland abgeschlagen hinter seinen internationalen Mitbewerbern. Eine
„One-Stop-Shop-Lösung“ zur Unternehmensgründung fehlt derzeit Komplizierte
regulatorische Anforderungen und Vorabkosten für die Zulassung in bestimmten
Branchen (wie dem Finanzsektor) stellen für Start-ups oft ein ernstzunehmendes
Hindernis dar. Die Umsetzung einer „One-Stop-Shop“-Lösung zur
Unternehmensgründung ist daher umzusetzen.

§ Im Scheitern liegt immer die Chance für etwas Neues: Es bedarf einen
Mentalitätswechsel in der Gesellschaft. Personen, die mit ihrem
Start-up-Scheitern, erfahren oft eine Stigmatisierung. Dabei zeigen viele
Beispiele erfolgreicher Gründer, dass sie einige Anläufe und Versuche gebraucht
haben, bis sie mit einer Idee durchgestartet sind. Politik und öffentliche Hand
können den gesellschaftlichen Diskurs in diesem Zusammenhang deutlich
positiver begleiten, als dies heute der Fall ist.

9. Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Börsengänge in
Deutschland

Frankfurt verfügt in Kontinentaleuropa über den wichtigsten Börsenplatz. Um
diesen zu stärken bedarf es vor allen Dingen einer Entbürokratisierung des
Börsengangs und der Börsennotierung insbesondere für KMUs: Die
regulatorischen Anforderungen an den Börsengang und die Börsennotiz, die in
den letzten Jahren noch verschärft wurden, hält viele Unternehmen von einer
Finanzierung am Kapitalmarkt ab. Ansätze zur Senkung des bürokratischen
Aufwands der Börsenfinanzierung könnten Erleichterungen in der gerade
novellierten EU-Prospektverordnung für Kapitalerhöhungen, ein Überdenken von
weiteren Kapitalmarktregulierungen (so hat z.B. die Überarbeitung der
EU-Marktmissbrauchsverordnung dazu geführt, dass nun auch kleine, im
Freiverkehr notierte Unternehmen aufwändige Ad-hoc-Mitteilungen erstellen
müssen) und Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen Wachstumsmärkten
und regulierten Märkten (insbesondere zur Erschließung neuer
Investorengruppen).