Abgeltungssteuer nicht abschaffen

Foto von Bettina Stark-Watzinger
11.05.2016

Nach Wolfgang Schäuble möchte nun auch Sigmar Gabriel aus vermeintlichen Gerechtigkeitsgründen die Abgeltungssteuer abschaffen. Anlässlich des Vorschlages von Sigmar Gabriel erklärt die Generalsekretärin der hessischen FDP, Bettina Stark-Watzinger: „Die Ankündigung von Sigmar Gabriel zeigt die wahre Verzweiflung der SPD. Die Argumente, die gegen die Abgeltungssteuer vorgetragen werden, sind teilweise schlicht falsch. Die Abschaffung der Abgeltungssteuer hätte negative Auswirkungen auf die Kapitalbildung.“

Stark-Watzinger weiter:

„Die Abgeltungssteuer wird in der Debatte immer damit gefordert, dass Kapitaleinkommen günstiger besteuert werden als Arbeitseinkommen und dass durch die Abschaffung der Abgeltungssteuer der Staat mehr Geld einnehmen kann. Beides ist falsch. Der Vergleich des Spitzensteuersatzes (47,5%) mit der Abgeltungssteuer (26,4%) ist irreführend. Die wenigsten Bürger zahlen den Spitzensteuersatz. Der durchschnittliche Steuersatz bei Besserverdienenden mit einem Einkommen zwischen 50.000 und 100.000 Euro beträgt knapp 22%. Hinzu kommt, dass es sich beim Großteil der Kapitaleinkünfte um Dividenden handelt – also Unternehmensgewinne, die bereits besteuert wurden. In Kombination aus Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Abgeltungssteuer beträgt die Belastung bereits heute gut 48% und ist somit höher als die Belastung von Arbeitseinkommen. Wird die Abgeltungssteuer abgeschafft, steigt dieser Satz gar auf bis zu 63%. Wenn Sigmar Gabriel mehr Gerechtigkeit in Deutschland fordert, sollte er die Finger von der Abgeltungssteuer lassen.

Vor dem Hintergrund sinkender staatlicher und privater Investitionstätigkeiten in Deutschland und der Herausforderungen des demografischen Wandels, aber auch den Chancen durch die Digitalisierung, muss Deutschland ein attraktiverer Standort für Kapitalinvestitionen werden. 18 weitere EU-Mitgliedsländer erheben eine Abgeltungssteuer. Der durchschnittliche Steuersatz liegt bei 20,7%, in Deutschland liegt er bei 26,4%. Die Abschaffung der Abgeltungssteuer und die damit geforderte höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen von CDU und SPD sind ökonomisch kontraproduktiv.

Hinzu kommt, dass der Staat nicht mit Mehreinnahmen durch die Abschaffung der Abgeltungssteuer rechnen kann. Denn bei der Besteuerung der Dividenden müsste man zum Halbeinkünfteverfahren zurückkehren. Das Finanzministerium selbst ging 2014 noch von Mindereinnahmen von ca. 1 Mrd. Euro aus. Die Debatte zeigt: Es geht den Politikern der Großen Koalition wieder nur um die schnelle Steigerungen der Staatseinnahmen – trotz Jahr für Jahr höherer Rekordsteuereinnahmen. Dass ökonomische und finanzpolitische Gründe bei der politischen Arbeit beim Wirtschafts- als auch beim Finanzminister zunehmend keine Rolle mehr spielen, ist für Deutschland katastrophal.

Richtig wäre, die Rekordsteuereinnahmen für Steuerentlastungen gerade für die im internationalen Vergleich durch sehr hohe Steuer- und Abgabenbelastung belastete Mittelschicht zu nutzen. Das wäre gerecht. So könnten mehr Menschen durch eine betriebliche und private Altersvorsorge vorsorgen und neben ihrem Lohn durch eine hohe Kapitalrendite am weltweiten Wirtschaftswachstum teilnehmen. Anstatt Kapitaleinkünfte zu verteufeln, sollte Sigmar Gabriel also die Teilhabe aller am Gewinn von Kapitaleinkünften gewährleisten.“