Freie Demokraten fordern Modernisierung des öffentlichen Rundfunks

17.12.2020
  • Parallel-Angebot von ARD und ZDF ist nicht erforderlich
  • Anstalten müssen sich auf Kernauftrag konzentrieren
  • Unabhängige Kommission soll weiterhin Finanzbedarf ermitteln

WIESBADEN – Der Staatsvertrag zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist gescheitert. Die Freien Demokraten in Hessen nehmen das zum Anlass, die Diskussion über Struktur und Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks voranbringen zu wollen. Sie haben einen umfangreichen Reformvorschlag mit konkreten Forderungen aufgestellt. „Eine unserer Kern-Forderungen ist die Herauslösung des ZDF aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das kann zum Beispiel durch eine Privatisierung geschehen“, erklärt Jürgen Lenders, stellvertretender Landesvorsitzender der Freien Demokraten in Hessen, denn: „Ein Parallelangebot von ARD und ZDF, um den nationalen Rundfunkauftrag zu erfüllen, ist weder verfassungsrechtlich begründet noch medienpolitisch erforderlich. Insgesamt sind gebührenfinanzierte Parallelangebote abzuschaffen. Daher muss die Zahl der Fernseh- und Hörfunkkanäle, die von den Rundfunkanstalten betrieben werden, kritisch überprüft werden.“

„Uns ist es wichtig, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag im dualen System mit privaten Anbietern so auszugestalten, dass ein dem verfassungsmäßigen Rundfunkauftrag entsprechendes Programm für die gesamte Bevölkerung angeboten wird“, sagt Lenders. Die Freien Demokraten verlangen dabei eine Konzentration auf den Kernauftrag. „Unter Kernauftrag verstehen wir ein Vollprogramm mit unverzichtbaren Inhalten. Die Schwerpunkte sollten dabei auf den Bereichen Bildung, Information, Beratung und Kultur liegen.“

Darüber hinaus fordern die Freien Demokraten, Struktur und Organisation der Aufsichtsgremien     stärker vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu trennen. „Es darf gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass die Aufsicht nicht unabhängig und nicht staatsfern sei“, betont Lenders.

Wolfgang Greilich, bis 2019 Vizepräsident des Hessischen Landtages und Mitglied des Bundesfachausschusses Medien, Internet und digitale Agenda der Freien Demokraten, ergänzt: „Wir   bekennen uns zu einer angemessenen finanziellen Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, damit sie ihren Auftrag erfüllen können. Gleichzeitig streben wir eine langfristige und spürbare Entlastung der Beitragszahler an. Unser Ziel muss ein moderner und bezahlbarer öffentlich-rechtlicher Rundfunk sein“, so Greilich, der auch dem Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks angehört. Die Freien Demokraten verlangen, zunächst alle Potenziale zur Kosteneinsparung zu nutzen. Dabei muss gewährleistet sein, dass der Programmauftrag erfüllt wird.  Zudem müsse der angemessene Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ermittelt werden. „Dabei gilt es, sich am präzisierten Auftrag sowie den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu orientieren. Zur Wahrung der Transparenz sollte die Ermittlung des Finanzbedarfs weiterhin einer unabhängigen Kommission übertragen werden“, fordert Greilich.

Die bestehenden und praktisch nicht abänderbaren Rentenaltlasten sollten einschließlich der zugehörigen Rücklagen nach Ansicht der Freien Demokraten unverzüglich in eine „Renten-Bad-Bank“ ausgelagert werden, um mehr Transparenz über die sonstige Verwendung der Mittel der Sender zu bringen. In Zukunft sollen Altersvorsorgebeiträge in rechtlich selbständige, nach dem Kapitaldeckungsprinzip arbeitende Versorgungseinrichtungen fließen und sich an den allgemein üblichen Maßstäben orientieren. „Besondere Privilegien für Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks lehnen wir Freie Demokraten ausdrücklich ab“, macht Greilich klar, der das Forderungspapier der FDP federführend erarbeitet hat.

Er ist überzeugt: „Wenn der öffentliche Rundfunk erst wie von uns angeregt modernisiert wird, sind weitere Erhöhungen der Rundfunkbeiträge nicht erforderlich. Vielmehr könnte es schon dann zu Beitragssenkungen kommen, wenn das ZDF herausgelöst wurde und alte Versorgungslasten ausgegliedert wurden.“

Den kompletten Reformvorschlag finden Sie hier.

Hintergrund:

Seit dem 1. April 1963 wird das öffentlich-rechtliche Angebot der Landesrundfunkanstalten und der ARD ergänzt durch das nationale Angebot des ZDF. Vorangegangen war das grundlegende 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961, mit dem das höchste deutsche Gericht ein Programmangebot der „Deutschland-Fernsehen GmbH“, des sogenannten Adenauer-Fernsehens, untersagt und die volle Rundfunkkompetenz den Ländern zugesprochen hatte. Auch das ZDF beruht also auf der Rundfunkhoheit der Länder und wurde aufgrund eines am 6. Juni 1961 unterzeichneten Staatsvertrages eingerichtet. Ein wesentlicher Grund für die Schaffung des ZDF war seinerzeit das noch fehlende vielfältige Fernsehangebot.

Im Interesse der möglichst geringen Belastung der Beitragszahler einerseits und der Gewährleistung eines leistungsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks andererseits müssen alle Angebote überprüft werden. Es fällt auf, dass die Beitragserträge der ARD-Anstalten von 2005 bis 2017 um insgesamt 7% gestiegen sind, die des ZDF im gleichen Zeitraum aber um das Vierfache, nämlich um 28%. Die durchschnittliche jährliche Preissteigerung in dieser Zeit betrug gut 18%. Dies bedeutet, dass die ARD-Anstalten reale Einsparungen im Volumen von 11% umgesetzt haben, während im gleichen Zeitraum das ZDF seinen Aufwand real um 10% steigerte, durchschnittlich jedes Jahr um rund 1%.

Ein Blick auf die Stellenentwicklung im Bereich der ARD zeigt die massiven Anstrengungen, die diese Einsparungen möglich gemacht haben: Von 1993 bis 2020 wurden bzw. werden rund 4.800 Stellen abgebaut. Das entspricht einer Stellenreduzierung von 19%.

Zu den Personen:

Jürgen Lenders ist stellvertretender Vorsitzender der Freien Demokraten in Hessen und Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag.

Wolfgang Greilich, früher Vizepräsident des Hessischen Landtages, hat den Beschluss der Freien Demokraten Hessen federführend erarbeitet. Er ist Mitglied des Bundesfachausschusses Medien, Internet und digitale Agenda der FDP. Mit der Struktur und der Finanzierungssituation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist er als langjähriges Mitglied zunächst des Rundfunkrates und seit 2012 des Verwaltungsrates des Hessischen Rundfunks befasst.