Geld rettet die Welt: Ein marktwirtschaftlicher Weg zur Finanzierung des Klimaschutzes

Positionspapier zum Aktionsplan „Sustainable Finance“ der EU Kommission

Einleitung

Die Berücksichtigung von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in finanziellen Entscheidungen („Sustainable Finance“) gewinnt für Finanzmarktteilnehmer weiterhin rasant an Bedeutung. Das Angebot an und die Nachfrage nach Anlageprodukten, die vermeintlich „nachhaltige“ Projekte finanzieren, steigen entsprechend stark. So stellt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO in einer Studie zur aktuellen Nachhaltigkeitsberichterstattung fest, dass bereits mehr als 80 % der DAX-Konzerne und knapp die Hälfte der MDAX-Unternehmen in ihrer Berichterstattung die „Ziele für nachhaltige Entwicklung“ (sog. „Sustainable Development Goals“ (SDG) der Vereinten Nationen) berücksichtigen. Dies zeigt, dass ein breites gesellschaftliches Bewusstsein und unternehmerisches Interesse für die Problematik vorhanden sind. Immerhin rechnen 500 der größten global agierenden Unternehmen in den nächsten fünf Jahren laut der Beratungsgesellschaft KPMG mit finanziellen Schäden durch Extremwetterereignisse in Höhe von einer halben Billion US-Dollar. Gleichzeitig seien 20 bis 30 Prozent der Marktwerte börsennotierter Unternehmen auf Erträge aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückzuführen, womit weltweit ein Abschreibungsbedarf von mindestens 267 Milliarden US-Dollar verbunden sein dürfte, sollten die Pariser Klimaziele erreicht werden.

So bilden denn auch die Pariser Klimaziele aus dem Jahr 2015 neben den SDG der Vereinten Nationen (2015) und die deutsche Umsetzung der europäischen Corporate Social Responsibility (CSR) -Richtlinie (2017) die Grundlagen des Themas „Sustainable Finance“ für in Deutschland aktive Finanzmarktakteure. Vor diesem Hintergrund befasst sich das vorliegende Positionspapier nur mit den Herausforderungen, die aus der Finanzierung einer Transformation der Wirtschaft hin zu einer kohlenstoffarmen Produktion entstehen. Insbesondere stehen Grundsatzfragen der regulatorischen Behandlung von vermeintlichen nachhaltigen Anlageprodukten im Mittelpunkt der Betrachtung. Davon unbenommen ist, dass es an den internationalen Finanzmärkten und im Bereich der öffentlichen Finanzen vielerorts Entwicklungen geben kann, die aus ökonomischer Perspektive als nicht nachhaltig zu kritisieren sind. Sie sind gleichwohl nicht Gegenstand dieses Papiers.

Aktuelle Diskussion

Die EU-Kommission hat im Dezember 2016 eine „High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG)“ eingesetzt, die ein Konzept für die Integration verschiedener Maßnahmen zur Berücksichtigung von umweltbezogenen, sozialen und Unternehmensführungskriterien (sog. „Environmental, Social und Governance (ESG)- Criteria“) im Finanzsystem ausgearbeitet hat. Die Ergebnisse hat die EU-Kommission in ihrem Aktionsplan (https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0097&from=EN) im Mai 2018 aufgegriffen. Ziel ist, dass der Finanzbereich zur Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens beitragen soll. Der Kern des Aktionsplanes besteht im ersten Schritt aus zehn Maßnahmen, die aber zum Teil bislang noch immer nicht finalisiert werden konnten. Aktuell arbeitet eine technische Expertengruppe (TEG) an der Ausarbeitung konkreter Vorschläge zur Umsetzung ausgewählter Konzepte.

Im Dezember 2019 einigten sich das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten auf eine verbindliche Definition ökologisch nachhaltiger Aktivitäten und Investitionen („Taxonomie“). Sie soll Anlegern Sicherheit geben und Transparenz schaffen, bleibt aber in weiten Teilen hinter diesem Anspruch zurück.

Die Bundesregierung hat zwar die Losung ausgegeben, Deutschland solle führend im Bereich „Sustainable Finance“ werden. So lässt sich die Bundesregierung bei Fragen rund um das Thema „Sustainable Finance“ vom „Sustainable Finance Beirat“ beraten, der beim Bundesministerium der Finanzen angesiedelt ist. Hinzu kommt, dass der vom Beirat im März 2020 veröffentlichte Zwischenbericht in weiten Teilen dirigistisch und bürokratisch daherkommt. Es besteht also dringender Bedarf an einem liberalen Kompass in der Diskussion.

Liberale Position zu „Sustainable Finance“

Wir Freie Demokraten setzen auf eine nachhaltige Klima- und Umweltpolitik, die vom Ziel her denkt. Ein wirkliches Mehr an Umweltschutz und Effizienz stehen im Mittelpunkt unserer Überlegungen, denn Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn ist fester Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft.

Wir Freie Demokraten stehen dafür ein, dass Kapital in zukunftsfähige Branchen fließt und für neue Technologien bereitsteht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass hierbei planwirtschaftliche Vorgaben weder die gewünschte Wirkung bringen, noch effizient sind.

Wir treten daher konsequent für eine marktwirtschaftliche Allokation finanzieller Mittel und Risiken ein. Auch wenn die Erreichung der Pariser Klimaziele immenser finanzieller Investitionen bedarf, sind wir davon überzeugt, dass ein effizienter Finanzmarkt in der Lage ist, diese Mittel aufzubringen. Ziel aller politischen Anstrengungen muss es also sein, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Finanzmarkt dieser Aufgabe nachkommen kann. Dies wird am besten erreicht durch die Sicherstellung hinreichender Transparenz, die Berücksichtigung aller Kosten auf Produktebene („Internalisierung“), die risikoadäquate Behandlung aller Finanztitel und eine möglichst weitgehende internationale Harmonisierung relevanter regulatorischer Vorgaben.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir die vorgelegte Taxonomie der EU ab. Zwar unterstützt sie auf den ersten Blick die Transparenz bei Fragen rund um vermeintlich nachhaltige Finanzinvestitionen. Sie bleibt jedoch in weiten Teilen abstrakt vage und lässt dennoch keinen Raum für Innovationen. Sie ignoriert individuelle Präferenzen von Investoren und bürdet Unternehmen zusätzliche Bürokratiekosten auf. Die Einigung auf einheitliche Definition von Nachhaltigkeit ist ohnehin im doppelten Sinne schwierig. Zum einen bestehen politisch und kulturell unterschiedliche Auffassungen über den Begriff Nachhaltigkeit (z.B. wird in Frankreich die Atomenergie als nachhaltig eingestuft). Zum anderen ist es fast unmöglich, alle Aspekte von Nachhaltigkeit über die gesamte Produktionskette eines Produktes lückenlos zu erfassen und sinnvoll sowie konsistent zu bewerten. Bei der konsequenten Beachtung der obigen Grundsätze „Transparenz“, „Internalisierung“ und „Harmonisierung“ ist ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit dagegen nicht nötig. Ebenso ist eine Festlegung obsolet, welche Kriterien ein Projekt als „nachhaltig“ erscheinen lassen und wie ggf. nicht nachhaltige Elemente eines Projektes gegenüber nachhaltigen Elementen des gleichen Projektes zu gewichten sind.

Darüber hinaus birgt jede offizielle Definition „nachhaltiger“ Finanztitel das Risiko des sogenannten „Greenwashings“, das unbedingt vermieden werden muss. So sammelte z.B. Polen 1,75 Mrd. Euro über „grüne“ Anleihen („Green Bonds“), d.h. Schuldverschreibungen, die die ESG-Kriterien erfüllen, ein, rodete aber zur gleichen Zeit 150.000 Bäume eines polnischen Urwalds. Hier müssen Investoren in der Lage sein, klare Grenzen zu ziehen, welchen Projekten sie welche finanziellen Mittel zu welchen Bedingungen zur Verfügung stellen möchten.

Gleichzeitig können Finanzmarktakteure, die sich freiwillig unter privaten Nachhaltigkeitslabeln zusammenschließen, die unterschiedlichen Präferenzen in Bezug auf Umwelt, Soziales und Aufsichtsstrukturen / Unternehmensführung um einiges besser ausarbeiten als die Europäische Kommission. Eine Vorschrift, die Finanzdienstleister gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Produkte hinsichtlich europäischer Nachhaltigkeitskriterien zu prüfen, stellt daher einen ungerechtfertigten bürokratischen und finanziellen Aufwand, sowohl für die Marktteilnehmer als auch für die zuständigen öffentlichen Institutionen und Aufsichtsbehörden, dar.

Mit Blick auf die von uns geforderte risikoadäquate Behandlung aller Finanztitel lehnen wir auch eine mögliche regulatorische Bevorzugung vermeintlich nachhaltiger Anlageprodukte (z.B. durch einen „green supportive factor“) oder eine entsprechende Schlechterstellung konventioneller Finanzinstrumente (z.B. durch einen „brown penalizing factor“) ab. Investitionsentscheidungen müssen durch Risiko- und Renditeerwartungen motiviert sein, nicht aber durch politische Absichten. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, Investitionen in „gute“ oder „schlechte“ Projekte zu unterteilen. Alle Pläne der EU-Kommission, die in Richtung politisch motivierter Verhaltenslenkung tendieren und damit sowohl Eingriffe in die freie Entscheidung als auch den Wettbewerb darstellen, lehnen wir ab. Der Aktionsplan zu „Sustainable Finance“ kann und darf keine sinnvolle Nachhaltigkeits- bzw. Umweltpolitik an anderer Stelle ersetzen.

Zudem können aus dem Zusammenspiel einer invasiven Finanzmarktpolitik und der notwendigen Bemühungen zur Internalisierung externer Effekte auf Produktebene unerwünschte und ex ante nicht absehbare Nebeneffekte entstehen, die die Stabilität der Finanzmärkte und damit den Wohlstand der Menschen bedrohen können.

Auf der Stufe der Gesetzesplanung und -gebung stellt sich schließlich mit Blick auf etwaige regulatorische Grenzen hiervon unabhängig die grundsätzliche Frage, wo die Grenzen der Europäischen Union in der Gesetzgebungskompetenz für die Steuerung nachhaltigen Unternehmertums liegen.

Wir Freie Demokraten fordern:

  1. Sicherstellung hinreichender Transparenz über die relevanten Merkmale von Finanzinstrumenten und den zugrundeliegenden Investitionsprojekten: Anleger müssen wissen, für welche Zwecke die von Ihnen bereitgestellten Mittel verwendet werden, um eine Investitionsentscheidung treffen zu können, die ihren Präferenzen entspricht. Dazu zählt auch, dass, sollten ESG-Kriterien zukünftig in Ratings privater Agenturen einfließen – wie von der EU-Kommission angedacht – sicherzustellen ist, dass die ESG- Kriterien separat ausgewiesen werden (siehe Punkt 6). Nur so kann die Kreditwürdigkeit eines Emittenten durch das Rating transparent werden und das Rating unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten den Anlegern Orientierung geben.
  2. Konsequente Berücksichtigung aller Kosten auf Produktebene (Internalisierung externer Effekte) über einen umfassenden Zertifikatehandel auf zumindest europäischer Ebene, der alle relevanten Wirtschaftssektoren (inkl. Verkehrssektor) berücksichtigt: Nur so wird gewährleistet, dass nachhaltige Produkte und deren Finanzierungsprojekte ceteris paribus vorteilhafter sind als solche, die negative Folgen für die Allgemeinheit mit sich bringen. Ist dies gewährleistet, können Investoren nach individuellen Risiko-Rendite-Präferenzen agieren und gleichzeitig nachhaltig investieren. So kann Klimaschutz zu volkswirtschaftlich möglichst geringen Kosten erreicht werden.
  3. Risikoadäquate Behandlung aller Finanztitel in der Regulierung: Ein fairer Wettbewerb zwischen den verschiedenen Finanzinstrumenten ist die Voraussetzung für eine effiziente Allokation von finanziellen Mitteln und Risiken im Finanzsystem und sichert dessen Stabilität und Funktionsfähigkeit.
  4. International abgestimmte Politik statt nationaler Egoismen: Nur, wenn international vergleichbare Anforderungen zur Internalisierung externer Effekte und risikoadäquaten Behandlung von Finanztiteln herrschen, kann eine Verzerrung des Marktergebnisses durch nationale Alleingänge vermieden werden. Ausnahmeregelungen für einzelne Länder darf es ebenso wenig geben wie eine laxe Praxis bei der Sicherstellung der Einhaltung dieser Regeln. Die Reziprozität ist international so sicherzustellen, dass Wettbewerbsverzerrungen weitgehend vermieden werden.
  5. Wahrung der Entscheidungsgewalt bei demokratisch gewählten Parlamenten: Die Anwendung von Nachhaltigkeitszielen im Finanzbereich führt zu strukturellen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Für uns Freie Demokraten steht fest, dass Entscheidungen hierüber nur in demokratisch gewählten Parlamenten zu treffen und die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind. Die Verlagerung der Entscheidungen auf die Level-2-Ebene lehnen wir daher ab.
  6. Förderung freiwilliger Industriestandards: Keinesfalls darf eine EU-Taxonomie die Grundlage für Investitionsentscheidungen bilden. Gleichwohl sind Finanzdienstleister aufgerufen, freiwillig eigene Standards zu erarbeiten, um ein Höchstmaß an Transparenz sicherzustellen.
  7. Ganzheitlicher Ansatz statt Stückwerk: Die Vorschläge der Kommission zielen derzeit ausschließlich auf Umweltziele. Damit missachtet die Kommission den ganzheitlichen Ansatz der ESG-Kriterien. Zielkonflikte, wie sie z. B. bei der Herstellung der Batterien für E-Mobilität entstehen, werden damit ausgeblendet. Die Erarbeitung von Nachhaltigkeitszielen muss daher über alle relevanten Bereichen Hand in Hand gehen.
  8. Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt: Es ist Aufgabe der Finanzmärkte Finanzmittel für zukunftsfähige Technologien zu angemessenen Bedingungen bereitzustellen. Mit Frankfurt am Main besitzt Hessen einen besonders leistungsfähigen und international anerkannten Finanzplatz. Dessen Stärkung im Themenbereich Sustainable Finance ist das Ziel der hessischen Freien Demokraten. Wir plädieren daher dafür, relevante Kompetenzen hier zu bündeln und z.B. durch die Schaffung eines neuen Marktsegmentes an der Deutschen Börse Investoren und Emittenten leichter zusammenzubringen.

Fazit:

Ausführliche Informationen und Transparenz sind für Investoren unentbehrlich, um verantwortliche Entscheidungen treffen zu können. Der Aktionsplan der EU Kommission setzt dagegen in weiten Teilen auf dirigistische Maßnahmen und zielt auf eine politisch gesteuerte Umlenkung von Kapital ab. Dies darf aber nicht durch normative Vorgaben für private oder institutionelle Investoren erreicht werden. Anleger dürfen weder aktiv (über Gebote oder Verbote) noch passiv (über regulatorische Anreize) in vermeintlich nachhaltige Finanzprodukte gedrängt werden. Das heißt, es darf keine Bevorzugung für Anlagen in solche Finanztitel oder entsprechende Quoten für institutionelle Investoren geben. Gesellschaftliche Akzeptanz muss durch Aufklärung und Freiwilligkeit geschaffen werden. Dass dies gelingen kann, zeigt die bereits deutlich gestiegene Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen. Erfahrungen aus vergangenen stark beworbenen grünen Investitionsmöglichkeiten, die anschließend für Verluste gesorgt haben, zeigen aber auch, dass auch nachhaltige Investitionen Risiken tragen und daher kein Trade-Off zwischen den Aspekten der Erzielung von Rendite und Sicherheit stattfinden darf.